Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)
Leptospirose.«
»Was ist das denn?«, fragte Nachtigall interessiert. Der Mann schien ein wahrhaft begeisterter Schadnagerbekämpfer zu sein. Tja, dachte er amüsiert, manche gehen eben so richtig in ihrem Beruf auf.
»Leptospirose? Oh, das ist auch eine Krankheit, die unsere nagenden Freunde übertragen. Spiralförmige Bakterien bringen in diesem Fall das Übel. Grippeähnliche Symptome, die zuerst keiner ernst nimmt, dann hohes Fieber, Nierenversagen, Leberentzündung. Wenn der Arzt das nicht schnell genug erkennt – tja. Sehen Sie, hier bei uns geht es ja noch – hier wird ernsthaft bekämpft. Aber in Amerika gibt es Städte, da wohnen so unglaublich viele Ratten, dass Sie im Grunde nie mehr als zwei Meter von der nächsten entfernt sind. Das führt Ihnen vielleicht die Ansteckungsgefahr vor Augen. Sie müssen nicht einmal unmittelbar mit dem Tier Kontakt haben – es reichen Spuren der Exkremente am Schuh, die Sie in Ihr Haus tragen. Oder der Kot trocknet, zerfällt zu Staub und wird mit dem Wind breit gestreut. Dann fällt Ihnen in Ihrer eigenen Küche ein Keks runter, Sie essen den – und schwupps! Mal ganz abgesehen von Tollwut oder den anderen bekannteren Krankheiten. Gerade Tollwut ist übel. Ein Bekannter von mir hat so ein kleines Vieh bei sich im Keller gefangen und wollte es retten, vor die Tür bringen, weil es in seinem Keller absolut nichts zu fressen gab. Was macht das Vieh? Verwindet sich und beißt zu. Da waren dann ein Haufen Impfungen fällig – und ist die Tollwut erst einmal ausgebrochen …! Schwupps!«
»Wir wissen auch nicht, woher man dieses Gift bekommt. Wo zum Beispiel kaufen Sie Ihres?«
»Wir mischen selbst. Aber als Laie kann man das Gift auch im Internet bestellen. Wenn Sie wirklich ein Problem mit Ratten haben, lassen Sie besser die Profis ran. Die Köder, die Sie selbst bestellen können, enthalten das Gift in viel geringerer Konzentration – wenn wir mischen, dann wirkt es tatsächlich! Aber wenn Sie selbst bestellen, – das Zeug ist richtig giftig, wenn das in falsche Hände gerät – da kann so einiges passieren.«
Das konnten die beiden Ermittler nur bestätigen.
»Und wie mischen Sie?«
»Nun – es gibt die einzelnen Bestandteile zu kaufen und für jeden Schadnager die passende Rezeptur. Ich mische eine giftige Paste mit einem wächsernen Bestandteil, sodass ich das Zeug ausstreichen oder abschneiden oder zerbröckeln kann. Wir sind gehalten, einen roten Farbstoff beizumengen, damit es keine Verwechslung durch Menschen geben kann, die es für essbar halten könnten. Das tun wir übrigens immer, schließlich möchten wir kein Risiko eingehen. Zu unserem Service am Kunden gehört auch eine Aufklärungsaktion in der Nachbarschaft. Nicht auszudenken, was da los wäre, wenn die Muschi der Nachbarin von unserer Paste nascht.«
Nachtigall dachte an den stolzen Casanova und war der Meinung, er könnte es seinem Nachbarn bestimmt nie verzeihen, wenn sein Kater von dessen Gift fressen würde. Wobei er allerdings davon ausging, Casanova sei viel zu klug, um so eine Dummheit zu begehen – nur verfressen war er leider auch.
»Wir klingeln überall und geben Bescheid, werfen Merkblätter in die Briefkästen und in größeren Gebieten, wo zum Beispiel Kinder unterwegs sein könnten, sorgen wir dafür, dass die Presse warnt. Bei unseren Aktionen ist noch nie jemandem etwas zugestoßen – nur den Nagern«, versicherte er dann.
»Beeindruckend. Und danach werfen Sie die Brocken aus?«
»Nein – nicht wahllos. Wir sehen uns das zu säubernde Gebiet gründlich an und denken dann wie eine Ratte. Wo ist es hier besonders angenehm, welche Ecken sehen vielversprechend für ein Tier auf Nahrungssuche aus – und dort platzieren wir gezielt unsere Köder. Ratten können ganz gut klettern – wir müssen also die Giftstückchen nicht auf dem Boden ablegen, wo sie womöglich von anderen Tieren gefressen werden.«
»Ziehen Sie am Ende einer Bekämpfungsaktion Bilanz?«
»Wie, Bilanz? – Oh, Sie meinen, wir haben soundso viel Ködermasse verwendet, also müssen mindestens soundso viele Ratten eingegangen sein? Nein. Das ist nicht möglich. Wir können die Menge an Ködermasse nach den Aussagen der Kunden nur ungefähr bemessen. Wenn das ganze Grundstück verseucht ist, brauchen wir natürlich mehr, wenn nur ab und zu ein Tier gesichtet wird, reicht weniger. Wieviele wir am Ende zur Strecke gebracht haben, wissen wir nie mit Sicherheit – sie sterben ja auch nicht alle auf dem
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