Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)
Grundstück des Auftraggebers«, lachte der Chef von Rattex fröhlich.
Ja, dachte Nachtigall zynisch, und manche Opfer werden nach der Vergiftung noch erstochen. Aber davon erzählte er Herrn Kleber nichts.
37
Marianne Voigt erwies sich als beeindruckende Teufelin. Sie traf Michael Wiener in seinem Büro.
Die selbstbewusste Frau sah ihn aufmerksam an, als wollte sie keines seiner Worte verpassen.
»Schön, dass Sie Zeit für mich gefunden haben. Als was genau arbeiten Sie denn bei ›Vattenfall‹?«
»Ich bin Projektleiterin im Bereich Umwelttechnologie. Aber deshalb wollten Sie mich doch bestimmt nicht sprechen?«
Marianne Voigt trug ein Kostüm, das ihre üppigen Formen gut zur Geltung brachte, und Schuhe mit mittelhohem Absatz. Bei ihrer Größe wären hochhackige Pumps nicht vorteilhaft gewesen – sie überragte so schon die meisten ihrer Mitmenschen.
»Das stimmt natürlich. Es geht um die Aussagen einiger Ihrer Mitteufelinnen. Sie haben Beschuldigungen gegen Herrn Mehring erhoben. Er habe sie zu sexuellen Handlungen genötigt. Können Sie bestätigen, dass er intime Kontakte zu mehreren der Tänzerinnen unterhielt?«
»Ja – das kann ich«, antwortete sie mit angenehmer Altstimme und sah Wiener dabei aus ihren braunen Augen an, als unterhielten sie sich über die Qualität des Kantinenessens.
»Er hatte mit vielen ein ›Verhältnis‹.« Sie deutete die Anführungszeichen mit den Fingern an.
»Mit Ihnen auch?« Wiener rutschte bei der Frage unruhig auf seinem Stuhl hin und her.
»Nein!«, sie lachte laut, »das hätte er sich wohl kaum getraut, mit mir eine ›Affaire‹ zu beginnen. Er hatte nämlich Angst vor starken Frauen. Und ich bin nicht nur stark, sondern war auch fast einen Kopf größer als er. Nein, nein. Seine seltsamen Deals hat er immer nur mit den Kleinen gemacht. Sehen Sie – manche von den Mädchen wollen unbedingt Karriere machen. Was anderes zählt für die nicht. Groß rauskommen im Showbiz. Und die erste Reihe ist nun einmal die, auf die mit Kameras draufgehalten wird. Mehring war der Herr über die erste Reihe. Ehrlich gesagt: Er war ein widerliches Schwein!«
»Gut. Das sagen die anderen auch. Warum haben sie sich nicht gegen ihn gewehrt. Wenn niemand mehr sein dreckiges Spiel mitgespielt hätte – wäre die erste Reihe nach künstlerischen Aspekten festgelegt worden.«
Marianne schwieg lange, so als hätte er etwas Dummes gesagt und sie wisse nun nicht, wie sie darauf eingehen sollte. Dann seufzte sie tief und sah ihn wieder direkt an.
»Sie sind noch sehr jung und Sie machen Ihren Weg. Ich bin sicher, Sie sind ein guter Ermittler und das wird man auch in den oberen Etagen bemerken. Schon bald werden Sie in der Hierarchie aufsteigen, weil Sie hervorragende Leistungen erbringen können.«
»Das hoffe ich«, antwortete Wiener zurückhaltend, weil er nicht erkennen konnte, worauf Marianne Voigt hinauswollte.
»Tja – aber angenommen, Sie sind nicht so gut und möchten doch aufsteigen – oder Sie sind schlecht und möchten dennoch Hauptkommissar werden – was würden Sie alles dafür tun?«
»Sie meinen, die jungen Damen können gar nicht so gut tanzen, wie sie denken?«
»Das ist ein Aspekt – der andere ist die Anzahl von jungen Dingern, die unbedingt hoch hinaus wollen. Solche Schweine wie Mehring nutzen das schamlos aus. Früher versprachen sie den Mädchen über ihre Verbindungen zum Film irgendeine tolle Rolle – heute wollen alle singen und tanzen. Da bieten sie eben den Platz in der ersten Reihe.«
»Ich glaube, ich verstehe das. Aber wenn alle …«
»Jede glaubt, sie sei die Bessere, die, die überzeugt. Die Einzige, die er wirklich liebt und ganz nach vorne pushen will. So denken die Mädchen und den Rest wollen sie einfach nicht wahrhaben.«
»Und nun legt Rolf Bartel die erste Reihe fest?«, fragte Wiener nach und dachte an den schleimigen, kleinen Mann, der hier so ein Theater abgezogen hatte. Wie viel angenehmer konnte man sich da mit Marianne unterhalten. Sie war so ruhig und abgeklärt – um die 40, schätzte er, einfach sympathisch. Ein bisschen mütterlich, aber auf gar keinen Fall eine Glucke. Einen Moment lang überlegte er, ob sie wohl Kinder habe, beschloss dann, aber nicht danach zu fragen. Es ging ihn nichts an.
»Ja. Aber falls der gedacht hat, er könne einfach so weitermachen, wie der Mehring aufgehört hat, hat er sich getäuscht! Das versuchten wir ihm klarzumachen. Wir Frauen haben ihm ganz schön Bescheid gestoßen – ich
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