Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz
…
»Wartet, ich ruf in der Redaktion an.« Alma hatte ihr Handy aus der Tasche geholt. »Dass mir das nicht gleich eingefallen ist! Hoffentlich erreich ich wen.« Sie trat in den Windfang vor der Tür, Berenike sah sie mit dem Handy am Ohr heftig gestikulieren.
Kurz darauf kam sie zurück in den Salon. »Es war nur die Sekretärin vom Chef da. Der Betrieb geht erst in den nächsten Tagen wieder los, weil über die Feiertage keine neue Ausgabe vom Wirtschaftsmagazin erscheint. Die Renate weiß aber nichts über Arianes Verbleib. Zumindest die Handynummer hat’s mir gegeben, unter Kolleginnen.« Ihre Finger flogen über die Tasten, als sie wählte. Alle blickten sie erwartungsvoll an, doch Alma blieb stumm.
Früher, als sie frisch hierher gezogen war, hatte sich Berenike ein wenig mit der Astrologin angefreundet. Seit dem Mordfall in jenem Frühjahr war es zwischen ihnen nicht mehr wie früher. Wahrscheinlich, weil Berenike die aparte Astrologin ebenso verdächtigt hatte wie manch anderen im Ort. Das Landleben hatte seine Vorteile, auch bei einer Mordermittlung. Die Zahl der Verdächtigen war begrenzt, es gab nur wenige Wege nach draußen, die jetzt auch noch verschneit waren – und jeder kannte jeden.
»Wir sollten bei Ariane vorbeifahren. Ich hab ein komisches Gefühl.« Berenike sah die anderen fragend an. »Vielleicht ist ihr was zugestoßen. Und wenn nicht, umso besser, dann können wir Florian gleich zurückbringen, nicht wahr?«
»Sonst müsst er ins Heim«, ließ sich Jonas vernehmen. »Bis sich seine Eltern melden.« Er wandte sich an das Kind: »Wie heißt du denn, Kleiner?« fragte er. Der Bub blickte ihn an, drehte eine Locke um seinen Finger und sagte: »Florian.«
»Und wie noch?«, probierte es Jonas.
»Florian.«
Berenike zuckte die Achseln. »Was sollen wir machen.«
»Na schön, dann schauen wir, was mit der Frau Meixner los ist«, sagte Jonas und stand auf. Schon im Gehen schlüpfte er in seine Lammfelljacke. Berenike und Alma folgten ihm nach draußen. Der Wind hatte aufgefrischt.
4.
Holundertee mit Zimt
Sie fuhren los. Hans rannte ihnen nach draußen nach, gab ihnen eine Thermoskanne Holundertee mit Zimt mit. »Wer weiß, wie lange ihr braucht – das wärmt!«, rief er. »Viel Glück!«
Berenike fuhr mit Alma und dem Buben voraus. Jonas folgte in seinem Dienstwagen. Sie hielten kurz beim Fundort der Leiche am Seeufer, wo Jonas seine Kollegin Mara Wander zusteigen ließ. Berenike kannte die erfolgreiche Profilerin aus dem Mordfall um ihre Tanzlehrerin. Nach anfänglichen Zweifeln hatte Berenike erkannt, wie sehr die Polizistin die Ängste der Frauen verstand, als immer mehr Todesopfer zu beklagen gewesen waren.
Der kleine Florian quengelte die ganze Fahrt über, ohne wirklich was zu sagen. Er rutschte unruhig auf Berenikes Schoß hin und her. Einen Kindersitz gab es in Almas Auto nicht. Hoffentlich passierte nichts, und Jonas würde nicht dagegen meckern. Obwohl, man wusste nie bei ihm, dem Herrn Superkieberer. Seine letzten Fälle hatte er wieder alle mit Bravour und in Rekordtempo gelöst, ganz zum Unterschied zu der Serie von Frauenmorden.
Jetzt war er wieder nervös, der Herr Kriminalpolizist. Berenike spürte selbst auf die Distanz hinweg, wie seine Nase Fährte aufnahm. Ermittlungen, ein neuer Fall – schon galten andere Regeln. Sie drehte sich um, sein Geländewagen folgte ihnen, enge verwinkelte Gassen entlang durch die Orte Kainisch und Knoppen und Obersdorf. Alte Holzhäuser, viel Wald. Jonas hätte sicher gern überholt, doch bei dem dichten Schneetreiben wagte nicht einmal er so etwas. Auf der Fahrbahn lag jede Menge des leichten weißen Pulvers und immer wieder aufkommender böiger Wind verminderte die Sicht gegen Null. Wenn nur endlich der Frühling käme! Aber das dauerte, hierzulande noch länger als in Wien.
»So, da sind wir«, riss Alma sie aus ihren Gedanken. Sie hielt schwungvoll vor einem alten, ganz aus Holz gebauten Haus. Ein Pferdeschlitten kam eben aus einer Einfahrt. Glöckchen bimmelten leise, während die Frau auf dem Kutschbock auf die Tiere einredete. Im Gegensatz zu den vielen schmucken Gebäuden, die die Bad Mitterndorfer Hauptstraße zierten, sah Arianes Häuschen ein wenig verwahrlost aus. Ein kleines Schild markierte den Anfang des Ortsteils Thörl.
»Das ist Arianes Schloss. Was sie daran findet, ist mir schleierhaft.« Nachdenklich wanderte Almas Blick über das Gebäude. »Aber bitte, es gehört seit Generationen ihrer Familie.
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