Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz
Leib. Er tobte und schrie, schaufelte immer mehr Schnee weg, bis die Stufen vor Arianes Haustür teilweise frei waren. Der Boden unter dem Schnee war fest gefroren. Wie ein Mehlsack ließ sich der Bub dann plötzlich fallen, und blieb sitzen, weiter schreiend. Als Berenike auf ihn zutrat, bemerkte sie etwas Rotes unter dem durchsichtigen Eis. Etwas Rotes, das sich die Stufen hinaufzog. Bis zur Haustür. Blut, dachte sie. Blut erkannte sie. Blut. Und keiner da. Nicht schon wieder! Nicht wieder Gewalt, nicht schon wieder dieses Grauen. Es war zuviel. Ihr wurde flau, ihre Beine schwankten einen Moment. Die Hände fingen an zu zittern, als sie darauf zeigte und den Mund aufmachte, um nach Jonas zu rufen. Sie musste mehrmals ansetzen, bis sie mehr als ein Krächzen herausbrachte.
5.
Abwarten und Tee trinken …
»Wir brechen auf«, sagte Jonas, er sagte es leise und bestimmt. Der weiße Kragen seiner Lammfelljacke leuchtete. »Sofort!«
»Gefahr im Verzug«, rief Mara Wander und bevor jemand anderer reagieren konnte, warf sie sich bereits mit ihrem ganzen Körper gegen die alte, dunkle Holztür. Man hätte meinen können, das Holz sei morsch und würde sofort nachgeben, aber nein. Ein Knirschen erklang, sonst tat sich nichts.
»Lass gut sein, Mara.« Jonas griff nach ihrer Schulter. »Wir rufen die Feuerwehr.«
Die hatte zum Glück ihre Einsatzzentrale fast um die Ecke. Trotzdem dauerte es eine Weile, bis die Tür endlich splitterte und nach innen aufging. Die junge Mordermittlerin zog ihre Waffe und betrat das Haus, Jonas folgte ihr. Die Feuerwehrleute packten ihre Sachen und fuhren wieder weg.
Alma wollte den Polizisten folgen, nahm Berenike bei der Hand – und wurde umgehend von Jonas abgehalten. »Wartet im Auto, bitte! Das hier könnte riskant werden.«
Die Blutflecken. Die Stille. Berenike wollte den Gedanken gar nicht zu Ende denken, was all das bedeuten mochte. Die verschwundene Journalistin, das verwaiste Kind, das Blut, dazu die fehlende Katze – ob Arianes Daisy wenigstens wieder aufgetaucht war? Berenike wollte sich lieber nicht ausmalen, was da drinnen auf die Ermittler wartete. Sie sah Florian an und der sie. Dieser Bub, wo waren seine Eltern? Wer war er überhaupt? Sie wusste immer noch nicht mehr, als dass er Florian hieß. »Es wird schon wieder«, versuchte sie ihn zu trösten und fühlte sich hilflos, während sie ihm die Schultern streichelte. Überraschend schmiegte er sich an ihre Beine.
So standen sie und warteten. Ein Rumpeln drang aus dem Haus – dann wieder Stille. Warten, wie Berenike das hasste! Und Jonas – sie machte sich tatsächlich Sorgen um ihn. Dabei verstand der Mann seinen Job, das wusste sie mittlerweile. Doch die Ungewissheit darüber, was in Arianes altem Haus vor sich ging, machte sie nervös. Wenn nur endlich einer der Polizisten heraus käme! Berenike war in Versuchung, mit dem Handy bei Jonas anzurufen, unterließ es aber dann. Es könnte gefährlich sein, so ein Handyläuten …
Sie wurde von Motorengeräusch abgelenkt. Ein grauer Lieferwagen näherte sich durch das Schneegestöber und bremste zögernd vor dem Haus. Hektische Männer stiegen aus, Autotüren krachten, die drei kramten im Kofferraum, gingen mit riesigen Taschen auf das Haus zu. Sahen von Alma zu Berenike und zu Florian und baten sie dann, etwas vom Haus zurückzuweichen. Die Spurensicherer. Also war doch etwas gefunden worden …
»Ach, da seid ihr ja!« Mara trat vor die Tür, besprach etwas mit den Neuankömmlingen. Ein Streifenwagen traf ein, Arianes Grundstück wurde zur Straße hin abgesperrt. Ein paar Schifahrer blieben stehen.
Mara stapfte zurück zur Haustür. Alma kämpfte sich durch den Tiefschnee an die Polizistin heran. »Frau Wander? Auf ein Wort!«
Die Polizistin drehte sich zu ihr. »Ja?«
»Ist jemand im Haus? Ich meine – ist Ariane …? Ist etwas …?«
»Wir haben niemand gefunden, wenn Sie das meinen – weder tot noch lebendig. Das Haus ist leer. Es gibt keine weiteren Spuren. Wir wissen nicht, woher das Blut draußen stammt. Deshalb die Tatortgruppe.«
»Puh, und ich dachte schon …« Alma griff sich an den Hals, nestelte ihren Schal auf. »Wo ist Ariane dann? In der Redaktion ist sie nicht, das Handy hebt sie nicht ab. Ich mach mir solche Sorgen … Habt ihr einen Kalender gesehen? Den müssen wir finden. Für eine Journalistin ist so was eines der wichtigsten Arbeitsgeräte!« Alma wollte das Absperrband hochheben.
»Stopp«, ein dicklicher Typ in
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