Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz
ausgeleierten Jeans kniete auf der Treppe und hob die Hände. Offenbar gehörte er zu den Spurensicherern. »Sie dürfen da nicht rein, meine Dame!« Abwehrend schwenkte er irgendein Werkzeug.
»Was habt ihr gesagt?« Jonas war vor die Tür getreten. »Joe, das ist sozusagen eine Zeugin.«
»Ah so?« Der dicke, untergroße Joe sah Alma prüfend an. »Na, wenn der Herr Abteilungsinspektor meint …« Er ließ den Satz süffisant ausklingen.
»Alma, bitte, warte trotzdem vorne an der Straße, bis die Spurensicherung fertig ist, ja?«
»Hmhm.« Alma nickte. »Sucht nach einem dicken roten Ding, wenn ihr rein geht. Ich habe Arianes Kalender oft genug gesehen.«
Berenike verstand ›totes Ding‹ und schauderte.
»Wir werden schauen, Alma, danke für den Tipp.«
»Ist es das?« Kurz darauf war Jonas wieder zurück, einen riesigen Timer in der Hand.
»Ja, genau.«
Der Mordermittler machte einen eleganten Bogen um die Stufen, wo sich die Spurensicherer an den Blutflecken zu schaffen machten, allen voran der Dicke, der skeptisch aufsah. Berenike trat von einem Bein aufs andere, aber ihr wurde nicht wärmer. So eine miese, verdammte Kälte, auch das Kind hatte rote Backen und sprang herum. Alma sah es in dem Moment und hielt die Autotür auf: »Magst du dich rein in die Wärme setzen, mein Kleiner?«
»Hm«, machte er unschlüssig.
»Na komm, ich schalt die Heizung für dich ein, ja?« Sie hielt die Tür auf, er sah noch ein paar Mal zwischen den Erwachsenen hin und her, bis er in das Auto kletterte. Alma schlug die Autotür zu und blickte Jonas abwartend an.
Jonas schlug den Kalender auf, blätterte zur aktuellen Woche. »Diese Schrift kann ja kein Mensch entziffern«, seufzte er.
»Zeig her, ich bin eine Kollegin von Ariane, vielleicht …«
»Das ist ein Beweisstück …«
»Mit dem ihr aber so nichts anfangt, richtig?«
»Es scheinen Abkürzungen zu sein, verdammt.«
»Ich kann euch helfen. Vertraulich, selbstredend«, erklärte Alma. Und als der Polizist nicht reagierte, wütender: »Host mi?«
»Ja, ich hab verstanden. Wir melden uns.«
Damit marschierte Herr Superkripo wieder ins Haus, den Kalender unterm Arm. Wenigstens ist er nicht nur zu mir so, dachte Berenike und konsultierte ihr Handy: Schon halb vier. Die Dämmerung sank über das Tal, nahm allem die Farben, ließ nur gräuliches Blau übrig, bis auch das von Dunkelheit verschluckt wurde.
»Gut, wir fahren, Berenike.« Alma blickte Florian unschlüssig an, der sie still beobachtete. »Florian? Ich bring dich zurück zum Hans, ja? Dort kann der Jonas dich besuchen, wenn er will.«
Der Kleine nickte. Mehrmals blickte er sich um. Sein Gesichtsausdruck war furchtsam. Und – wissend. Alma startete den Motor und sie fuhren los.
6.
Lavendeltee … für einen süßen Schlaf.
Alma brachte Berenike nach Hause. Am Vormittag noch ein Schneesturm, am Nachmittag Sonne und blauer Himmel. Jetzt am Abend setzte wieder Schneefall ein. Das Wetter war hier im Winter auch so wechselhaft wie im Sommer, Regen und Sonne folgten genauso dicht aufeinander, wie Schnee und Sonne. Die Flocken fielen immer dichter, die Sicht sank auf ein paar Meter. Auf der kurvenreichen Straße blieb das kalte Weiß wieder liegen. Ein Schneepflug tauchte wie aus dem Nichts auf, dahinter der Postbus. Alma fuhr langsamer.
»Florian, was ist mit dir, hm?«, fragte Alma während der Fahrt und sah den Buben, der zusammengekauert auf dem Rücksitz saß, ein ums andere Mal aus dem Rückspiegel an. »Was weißt du, mein Kleiner?« Doch Florian blieb stumm, sah aus dem Fenster, seine Blicke glitten mit stummer Beharrlichkeit über den matschigen Asphalt.
Ebenso beharrlich spulte Alma die Kilometer ab, über Obersdorf und Kainisch und Bad Aussee, hinauf nach Altaussee. Endlich kam die alte Mühle in Sicht, und sie waren im Ort. Weiter ging es bergauf nach Lichtersberg, sie waren nun fast allein auf der Straße, zumindest sah es in dem Flockengewimmel so aus. Berenike rief im Salon an. »Hans? Ich komme heute nicht mehr ins Lokal. Du schaffst das, oder? Ist viel los?«
»Geht in Ordnung, Chefin«, kam es zackig zurück. Berenike berichtete ihm noch schnell von Florian und dass Alma mit dem Buben auf dem Weg zu ihm sei, dann legte sie erleichtert auf.
Vor ihrem Wohnhaus stieg sie aus und hob grüßend die Hand. »Mach’s gut, Alma! Bis bald!«
Als sie auf das Haus zuging, versank sie bis zu den Knien im Schnee, wo er von der Straße weggeschoben worden war. Frau Gasperl war nicht
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