Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz
danke.« Das hätte ihr noch gefehlt, ein Streifenpolizist à la Kain als Fahrer. »Ich gehe zu Fuß.«
»Ich komm zu dir, Nike, wenn ich hier fertig bin, okay?«
»Na schön. Ich geh in den Salon. Will jetzt nicht …«
»Verstehe, Hans ist da, nicht wahr?«
»Natürlich.« Belanglose Worte, seine Hand, seine tiefe Stimme – beruhigend wie so oft. Ein bisschen Wärme. Es wird schon werden. Dr. Watson musste gefunden werden. Unversehrt.
»Ich warte, bis alles restlos abgesucht ist.« Jonas deutete auf die Tatortgruppe.
»Also bis später!« Sie umarmten sich, viel war durch die dicken Jacken nicht zu spüren. Doch selbst das tat gut in dieser leblosen, erstarrten Welt.
Als sie sich in Bewegung setzte, spürte Berenike die Erschöpfung in ihren Beinen. Es kam ihr schier endlos vor, bis sie zurück auf den frei geräumten Weg gelangte, doch auch hier machte der Neuschnee das Gehen schwer. Frühling, leichte Halbschuhe, sich auf eine Bank setzen – sie freute sich jetzt schon, obwohl sie auch den Winter mochte in seiner Schönheit und Gelassenheit. Nur nicht in diesem Moment.
Nach ein paar Metern war von dem hektischen Treiben der Polizisten kaum noch etwas zu bemerken. Nur das leise Geräusch der eisigen Schneeflocken, wenn sie auf ihre Jacke trafen, war zu hören, und das Heulen des Windes. Sie ließ alles hinter sich zurück. Müde, nass, die Schuhe voll feuchtem, hässlichem Dreck, und die schwarzen Stirnfransen fast angefroren an ihrer Haut, so betrat sie ihren Salon. Irgendjemand rief etwas, aber sie hörte nicht hin. Hans war da und brachte sie zurück unter die Lebenden, weil er Tee kochen konnte wie kaum jemand anderer und weil er alle Menschen von ihr fern hielt, Menschen, die Fragen gestellt hätten. Sie hörte jemanden was vom Steirerball erzählen, ohne den Sinn der Worte zu verstehen. Sie hörte und sah die Gäste, aber es war, als wäre sie gar nicht hier.
Die Gangart muss verschärft werden, damit sie die Botschaft endlich verstehen. Nicht für die, die zusahen, die sich schreckten, und etwas von Grausamkeit schwätzten. Sie wissen nicht, was echte Grausamkeit ist. Jetzt werden sie ihr etwas näher kommen. Stille und Eis werden ihre Zeugen sein.
Nein, die Botschaft richtet sich an jene, die eiskalt Verrat geübt haben, die das Nest verlassen haben, die warme Burg. Ihrer wird das Höllenreich sein.
Amen.
10.
Irish Breakfast Tea
Die Nacht war unruhig wie selten. Berenike wälzte sich im Bett herum, Spade und Marlowe kamen, blieben kurz, hüpften wild in der Wohnung herum. Sie spürten auch, dass etwas nicht in Ordnung war, dass Dr. Watson immer noch fehlte. Jonas kam spät, eigentlich schon fast Frühstückszeit.
Bei einem schnellen Irish Breakfast Tee erzählte er, dass der kleine Florian im Lauf des Vortages endlich seinen Eltern übergeben worden war. Die beiden waren aus ihrem Urlaub zurückgekehrt und hatten Arianes Telefonnummer gewählt. Da die Polizei alle Nummern abhörte, die Ariane zuordenbar sein mochten, hatten sie den Anruf abgefangen. Somit war wenigstens eine Sache geklärt. Jonas hatte ein letztes Mal mit dem Buben gesprochen, aber nichts Neues erfahren. Hoffentlich würden die Eltern sich gut um ihn kümmern, ihm womöglich psychologische Hilfe angedeihen lassen. Die Peilung von Arianes Handy hatte weiterhin nichts ergeben. Auch in Sachen Katzen gab es keine neue Spur.
Nachdem Jonas weg war, küsste Berenike Spade und Marlowe ab – die sich das unwillig gefallen ließen – und sagte sich: Es kann nur besser werden. Es wird besser werden! Das muss es einfach. Heute musste sie Dr. Watson finden, sie würde hier oben in Lichtersberg die ganze Umgebung absuchen!
Der Sternenhimmel verblasste, machte einer kräftigen Wintersonne Platz, als sie losmarschierte, eine Packung von Dr. Watsons Lieblingstrockenfutter in der Hand. In Frau Gasperls Wohnung herrschte Ruhe. Leise öffnete Berenike die Haustür und schloss sie hinter sich. Einsam stieg sie zunächst bergauf in Richtung der Ruine Pflingsberg, dabei rief sie schnaufend Dr. Watsons Namen, schepperte dabei mit der Schachtel. Nur ein paar Vögel zwitscherten als Antwort. Die Straßen waren einigermaßen geräumt worden, eben kam ihr ein riesiger Traktor mit Schneepflug entgegen, fuhr stur seinen Weg, als wäre niemand auf der Straße. Berenike sprang zur Seite, in tiefe Schneewächten. Wieder Schnee in den Stiefeln! Sie hob schimpfend einen Arm, aber der Fahrer war längst weitergefahren.
Berenike
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