Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz
sicher. Ich kenn die Strömungen hier wie meine Westentasche.« Ein schiefes Grinsen unter den dunklen Locken hervor. »Ich bin schließlich hier aufgewachsen.«
»Verstehe. Danke.«
»Und jetzt muss ich dringend los, zurück ins Revier. Man wird schon auf mich warten.« Helmut hob grüßend eine Hand.
»Ach so. Na dann. Ciao.«
»Griaß di.« Der Forstassistent stapfte los, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Zurück vor dem Salon parkte eben Hans und trat gemeinsam mit Berenike ein. Sie ging schnurstracks in ihr Büro und rief Jonas an, erzählte ihm, dass der Jäger Karl Wengott am selben Tag wie Ariane zum letzten Mal gesehen worden war. »Habt ihr Arianes Termine schon überprüft?«, fragte sie.
»Soweit möglich, haben wir es getan. Allerdings ist am Tag vor dem geplatzten Interview mit Tiezl etwas eingetragen, dessen Bedeutung noch unklar ist. ›14 Uhr SP‹, steht da. Sagt dir das was?«
»Irgendwas Redaktionsinternes? Hast du Alma gefragt? Sowas wie Redaktionsschluss?«
»SP – Schluss … aber wofür kann dann das P stehen?« Die Stimme des Polizisten klang fragend, aber Berenike wusste, dass er eher laut dachte als sie wirklich einzubeziehen. Sie hatte sich daran gewöhnt, in den Jahren, seit sie ihn kannte. Früher hatte sie sein Verhalten auf die Palme gebracht, aber nun wusste sie, dass dahinter auch Vorsicht steckte, um sie nicht mit Dingen zu belasten – oder Täterwissen weiterzugeben, was die Ermittlungen erschweren würde.
»Ich werde Alma fragen«, meinte Jonas. »Woher weißt du, wann man Wengott zuletzt gesehen hat?«
»Der Forstassistent war noch einmal hier. Er hat gesagt, den Strömungen zufolge müsste das Opfer bei der Seewiese ins Wasser gestoßen worden sein. Aber das wisst ihr vielleicht schon?«
»Die Taucher haben uns informiert, aber …«
»Wenn Ariane wirklich zum gleichen Zeitpunkt zuletzt gesehen wurde wie Wengott, das ist … das wäre ja …« Der Gedanke war so ungeheuerlich, dass sich etwas in Berenike dagegen wehrte, ihn zu Ende zu denken, obwohl sie es schon während der Suche nach Ariane geahnt hatte.
»… als ob sie die Tat begangen hätte und danach abgetaucht ist. Wir werden eine Fahndung nach ihr rausgeben müssen.«
»Oder sie ist selbst in Gefahr.«
»Wie auch immer. Wir müssen dringend mit ihr reden.« Jonas beendete das Gespräch kurz angebunden.
Berenike legte auf. Sie zerbrach sich den Kopf, doch ihr mochte nicht einfallen, wofür SP stehen könnte. SP – die Anfangsbuchstaben eines Gesprächspartners für einen Artikel?
Sie rief bei Alma an.
»Ja bitte?«
»Alma, ich bin’s, Berenike. Alma, weißt du, woran Ariane zuletzt gearbeitet hat? Außer der Tiezl-Geschichte?«
»Leider – so vertraut sind Ariane und ich nicht. Und als freie Journalistin hält man die Themen unter Verschluss, bis sie gedruckt werden – damit sie einem nicht wer anderer wegschnappt. Aber so wirklich viele Aufträge hat die Ariane nicht bekommen. Sie muss sich erst noch einen Namen machen. Auch beim Chefredakteur.«
»Verstehe.«
»Nur in die Tiezl-Sache hat sie sich verbissen. Wegen der Waffen. Gibt’s sonst was Neues?«
Berenike überlegte einen Moment. »Nein, leider.« Lieber nichts von der Abkürzung in Arianes Kalender verraten.
Nachdem sie sich verabschiedet hatten, überlegte Berenike weiter. Stand SP für einen Ort? Aber für welchen? Seewiese – Fehlanzeige. Seesturm? Detto. Mist, Berenike fiel nichts anderes ein. See, See – Panorama? Sie kannte kein Lokal dieses Namens. Seepost war ein Lokal, an dem sie vor Jahren einmal ganz woanders vorbeigekommen war, an irgendeinem Schweizer See.
Sie entschied, noch einmal das Seeufer entlang zu spazieren, um den Ort des grausamen Geschehens auf sich wirken zu lassen. Vielleicht würde sie so eine Eingebung haben. Intuitiv spürte sie, dass all die Ereignisse der letzten Tage zusammenhingen. Der Mord an dem Jäger Karl Wengott, das Verschwinden der Journalistin Ariane Meixner und die getöteten Katzen. Im Salon war es ruhig, und so sagte sie Hans Bescheid, zog ihre dicke, sonnengelbe Daunenjacke an und ging los. Wieder lief ihr Hans nach, reichte ihr eine Thermoskanne, »für alle Fälle.«
»Lieb von dir«, brachte sie heraus und verstaute die Thermoskanne im Rucksack.
Neben dem Hotel Seesturm saßen gezählte 13 Krähen auf dem von dichtem Neuschnee bedeckten Eis. Sie flatterten mit den schwarzen Flügeln, als würden sie im Schnee baden. Es war kalt, eine blasse Wintersonne pochte unsicher
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