Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz
seinem Leben. Trotz der Depressionen. Darum ist er zum Therapeuten, obwohl der Saller eine ziemlich taube Nuss sein muss, so hat es sich zumindest für mich angehört. Und jetzt ist der Daniel tot. Ich halt das nicht aus.« Markus schniefte und griff wieder nach der Toilettentür.
Berenike strich ihm kurz über die Schulter und nickte ihm zu.
Dankbar sah er sie an. »Ich muss unbedingt zum Daniel in die Wohnung. Er hat noch Videos von mir. Von uns. Von gemeinsamen Auftritten. Ich will nicht, dass die wer anderer schnappt. Wir hatten eine Band. Grauenhaft haben wir ausg’schaut, echt wie … wie Tunten halt. Wir fanden das damals lustig. Du verstehst sicher, dass ich lieber nicht mit solchen Filmen in Zusammenhang gebracht werden möcht. Kennst ja die Leut hier. Die Ariane war die Einzige, mit der man über so was reden hat können.«
»Du kennst die Ariane? Die Ariane Meixner?«
»Na klar. Kennen tut sie jeder hier, auch wenn sie die letzten Jahre wenig im Lande war.« Markus grinste schief. »Nur mit dem Mögen ist das bei vielen Leuten so eine Sache. Aber die Ariane ist schon in Ordnung. Sie hat mir erzählt, was euch im Bergwerk zugestoßen ist. Furchtbar. Auf jeden Fall muss ich mir das alte Video beschaffen. Gleich nachher. Die Ariane wird mir sicher helfen, die findet immer einen Zugang zu den Leuten.« Mit plötzlichem Schwung riss Markus die Toilettentür auf und verschwand.
Berenike fuhr herum, weil sie meinte, ein Geräusch gehört zu haben. Doch der Garderobenraum war leer, kein Mensch zu sehen. War wohl nur der Wind gewesen. Sie wollte eben bei den Mänteln nachsehen, da läutete ein Handy. Sie brauchte einen Moment, bis sie es als ihres erkannte. Der automatisch eingestellte Klingelton des neuen Handys, das sie nach ihrer Befreiung aus dem Salzstollen gekauft hatte, klang seltsam unvertraut.
24.
Zum Teufel! Gibt es noch nicht einmal Tee in diesem Hause?
(Maxim Gorkij)
Berenike hetzte zur Theke, weil sie meinte, das Klingeln käme von dort. Sie konnte es nicht recht lokalisieren. Didelidu, didelidu, dideluuuuu. Der langweiligste Klingelton ever. Gleichzeitig kramte die Hälfte der Gäste in ihren Jacken und Taschen, weil sie offenbar denselben voreingestellten Klingelton hatten. Berenike schob die Tee-Menü-Karten beiseite, stapelte Zeitungen von gestern und vorgestern. Hier musste aufgeräumt werden! Immer dasselbe an der Theke, dieses Durcheinander. Wenn nur mehr Zeit für alles bliebe. Das Handy läutete. Und läutete. Schrill. Disharmonisch. Sie musste gleich eine neue Melodie aussuchen, wenn sie es fand. Die Tassen schepperten auf den Tabletts vom Vibra-Alarm. Etwas polterte, dann war das Geräusch weg – das kleine Telefon, das sie nur gekauft hatte, weil es am wenigsten gekostet hatte, war gegen die Rückwand gepoltert. Der Anruf war weg. Unbekannte Nummer, auch das noch. Wie in ihrem ersten Mordfall, als sie von unbekannten Anrufern terrorisiert worden war. Verdammtes Déjà-vu!
»Wer immer es war, er wird sich wieder melden«, murrte Hans.
»Wahrscheinlich«, schimpfte Berenike und war sich dessen gar nicht so sicher. Während sie Arianes Nummer wählte, ging sie in das kleine Büro und wartete auf die Verbindung. Sie schob die Tür mit dem Fuß hinter sich zu und ließ sich auf den Schreibtischsessel fallen. Ihr war schwindlig, doch aufgeben kam nicht in Frage, auch nicht jetzt.
»Ja, bitte?«, erklang Arianes Stimme.
Auch so eine, die sich nie mit Namen meldete, bevor sie wusste, wer anrief. Berenike hielt es ebenso. »Ich bin’s, Berenike, grüß dich. Ariane, ich habe neue Informationen, können wir uns treffen?«
»Meinst du die Toten? Muss es gleich sein? Ich bin gerade in Eile mit einem Artikel, der morgen erscheinen soll. Der Chefredakteur drängt, du weißt schon …«
»Ein Bergretter namens Markus hat von dir gesprochen. Du kennst ihn. Über Simon hat er auch was gesagt.«
»Na schön. Ich muss sowieso in die Redaktion, da komme ich am Rückweg bei deinem Salon vorbei, okay?«
»Einverstanden.«
Die Zeit verging wie im Flug mit den vielen Bestellungen. Endlich traf Ariane ein. Sie sah etwas erholter aus, seit Berenike sie gesehen hatte, aber immer noch blass. Und mager, sehr mager. »Hast du abgenommen?«
»Ich esse kaum etwas.« Ariane sah Berenike nicht an, während sie sich aus ihrem dicken Mantel schälte. »Ich bring nichts runter. Mein Leben kommt mir völlig unwirklich vor.«
»Das versteh ich, geht mir auch so.«
Ariane nickte. »Wenn man das
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