Narrentreiben: Ein Fall für Hubertus Hummel (Hubertus Hummel-Reihe) (German Edition)
Brüderle und fügte hinzu: »Sieht aus, als wäre dieses Jahr schon vor der Fasnet Aschermittwoch: Die Narren werden Trauer tragen …«
Müller musste sauer aufstoßen. In diesem Moment wurde ihm klar, dass seine traditionelle Fasnetflucht, die ihn dieses Jahr zum Skilanglauf nach Österreich führen sollte, ernsthaft gefährdet war.
Er sah sich um. Vier, fünf Frühaufsteher schauten in respektvollem Abstand zum Brunnen hinüber. Hier, wo die Fußgängerzone begann, befanden sich vor allem kleinere Geschäfte.
»Dürfte ich dann jetzt weiter, Herr Polizist?«, fragte der Austräger. »Ich hätte noch sechzig Zeitungen zum Austragen.«
»Moment«, sagte Müller. »Sie haben den Mann gefunden?«
Der Austräger bejahte. Ein Rentner wahrscheinlich, der sich etwas Geld dazuverdiente. »Ich bin etwa um zwanzig vor fünf vorbeigekommen«, sagte er.
»Das Opfer lag genauso da wie jetzt?«, hakte Müller nach.
»Habe ich schon Ihren Kollegen gesagt. Nur die Maske hatte er noch auf.«
»Scheme«, korrigierte Winterhalter ihn. »Des heißt Scheme.«
Hilfe suchend sah der Austräger zu Müller. Der ignorierte den Einwand. War ihm doch egal, wie diese Fasnachtsfanatiker das nannten. Er warf Winterhalter einen abschätzigen Blick zu, um sich dann wieder an den Zeitungsausträger zu wenden: »Also war der Narro noch maskiert, als Sie kamen?«
Der Mann nickte.
»Ich wollte schauen, ob das nur ein Besoffener ist, und habe deshalb die Maske abgenommen. Dann erst habe ich gemerkt, dass er tot ist«, erklärte der Austräger.
»Die Kollegen haben Ihre Personalien?«, vergewisserte sich Müller. »Na, dann auf Wiedersehen. Schließlich wollen die Leute ja pünktlich ihre Zeitung haben.«
Der Austräger salutierte und schwang sich wieder aufs Rad. Ob ihn der Leichenfund so mitgenommen hatte, ob es an der verschneiten Straße lag oder daran, dass er noch so viele Zeitungen in seinen Satteltaschen hatte? Jedenfalls schlingerte das Fahrrad so massiv, dass der Zeuge herunterzufallen drohte.
Wäre schlecht, dachte Müller. Vielleicht brauchen wir ihn noch. Er sah dem Radfahrer weiter nach und brummelte: »Wenigstens wird der Mord noch nicht in dieser Zeitungsausgabe stehen.«
Andererseits gab es da den Riesle, diesen unsäglichen Redakteur. Dem würde er glatt zutrauen, schon vorher von dem Mord erfahren und eine Geschichte darüber geschrieben zu haben. Dessen bester Freund war der Lehrer Hubertus Hummel. Wahrscheinlich würde er die beiden Schnüffler auch bei diesem Fall wieder an der Backe haben. Er hätte den Zeitungsausträger zum Stillschweigen verdonnern sollen.
»Todeszeitpunkt?«, knurrte er den Arzt an, doch bei dem war er an den Richtigen geraten.
»Gestern Abend, exakt dreiundzwanzig Uhr zweiunddreißig und siebzehn Sekunden«, sagte der und schnitt eine Grimasse. »Müller, ich habe bislang lediglich den Exitus feststellen können. Der Mann ist ja noch in seinem Häs. Geben Sie mir halt die Zeit, die ich brauche. Eine mögliche Todesursache kann ich Ihnen allerdings schon bieten: Erschlagen! Massive Verletzungen am Hinterkopf.«
»Identität des Opfers?«, forschte Müller weiter.
»Papiere hat dieser Narro keine dabei – nur einen Hausschlüssel. Der Zeuge sagt aber, dieser Zettel sei herausgefallen, als er dem Narro die Scheme abgenommen habe«, schaltete sich Brüderle ein und reichte Müller ein Blatt Papier.
Der verzog keine Miene, nahm den Zettel und las: »68. Schwenningen. Heinrich Berger. Fasnetverräter.« Die Buchstaben waren in einer Art Druckschrift mit schwarzem Filzstift geschrieben.
»Irgendwie kommt mir der Mann auch bekannt vor«, fuhr Brüderle fort. »Heinrich Berger – gehört dem nicht ein Baugeschäft?«
»Finden Sie mal heraus, wo der Mann wohnt«, ordnete Müller an.
»Wir sind schon dabei. Ich erkundige mich mal, ob die Kollegen Ergebnisse haben.«
»Sonst noch was?«
»En stattlicher Narro«, sagte Winterhalter, der der Kompetenteste in Sachen Fasnet zu sein schien. »Nur d’Rolle fehle.«
»Die was?«
»Rollen. Diese kugelförmigen Glocken. In Schwenninge sagt mer übrigens Gschell.«
»Hat man ihn hier umgebracht?«, wandte sich Müller wieder an den Arzt.
»Allem Anschein nach hat man ihn hier abgelegt«, gab dieser Auskunft. »Wenn die Tat hier geschehen wäre, müssten wir wohl auch Blutspuren im Schnee sehen. Da sind aber keine. Außerdem spricht der Zettel gegen eine Tat als Folge eines Streits vor Ort. Aber warten Sie’s ab.«
»Ich würde auch darauf
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