Narrenturm - Roman
ihn zu interessieren! Die verdammten tausend Gulden haben aufgehört, ihn zu interessieren! Unsere tausend Gulden!«
»Was denn für tausend«, platzte Reynevan ohne zu überlegenheraus. »Da waren keine tausend. Da waren . . . höchstens . . . fünfhundert . . .«
Rasch, sehr rasch begriff er, welch unerhörte Dummheit er da begangen hatte.
Buko von Krossig hatte sein Schwert mit einer so schnellen Bewegung gezogen, dass das Klirren der Klinge in der Scheide, wie es schien, noch in der Luft hing, als die Spitze schon Reynevans Hals berührte. Scharley schaffte gerade mal einen halben Schritt, bevor die ebenso schnell gezogenen Klingen Weyrachs und de Tresckows seine Brust trafen. Die Waffen der anderen hielten Samson in Schach. Wie weggeweht war alle derbe Herzlichkeit. Die bösen, zusammengekniffenen, grausamen Augen der Raubritter ließen keinen Zweifel daran, dass sie von ihren Waffen Gebrauch machen würden. Und dass sie es ohne leisesten Skrupel täten.
Der weißhaarige Magier seufzte, auf seinem Baumstumpf sitzend, auf und schüttelte den Kopf. Seine Miene drückte aber nach wie vor Gleichgültigkeit aus.
»Hubertl«, sagte Buko von Krossig langsam zu einem der Knappen, »nimm einen Riemen, mach einen Strick daraus und wirf ihn über diesen Ast. Keine Bewegung, Hagenau.«
»Keine Bewegung, Scharley«, wiederholte de Tresckow wie ein Echo. Die Schwerter der Übrigen bohrten sich stärker in Samsons Hals und Brust.
»Also«, Buko trat, ohne die Klinge von dessen Hals zu nehmen, näher an Reynevan heran und sah ihm direkt in die Augen. »Also, auf dem Wagen des Steuereinnehmers befinden sich nicht tausend, sondern fünfhundert Gulden. Das weißt du. Dann weißt du auch, welchen Weg der Wagen genommen hat. Junge, du stehst vor einer ganz einfachen Wahl: Entweder weißt du es, oder du wirst aufgehängt.«
Die Raubritter hatten es eilig, sie legten ein scharfes Tempo vor, schonten die Pferde nicht. Sowie das Gelände es erlaubte, zwangen sie sie zu galoppieren, ritten, was das Zeug hielt.
Weyrach und Rymbaba kannten, wie sich zeigte, die Gegend und wiesen auf Abkürzungen hin.
Sie mussten langsamer reiten, als sie die Abkürzung über den stark versumpften Boden im Tal des Flüssleins Pausebach, eines linken Zuflusses der Glatzer Neiße, nahmen. Jetzt erst fanden Scharley, Samson und Reynevan Gelegenheit zu einem kurzen Gespräch.
»Macht keinen Unsinn«, warnte Scharley sie leise. »Und versucht nicht zu fliehen. Die beiden da hinter uns haben Armbrüste und lassen uns nicht aus den Augen. Besser, wir reiten brav mit ihnen . . .«
»Und machen bei einem Raubüberfall mit?«, vervollständigte Reynevan spöttisch den Satz. »Wirklich, Scharley, die Bekanntschaft mit dir enttäuscht mich. Ich bin ein Räuber geworden.«
»Ich möchte dich daran erinnern«, warf Samson ein, »dass wir das für dich getan haben. Um dir das Leben zu retten.«
»Kanonikus Beess hat mir aufgetragen, dich zu beschützen und zu verteidigen«, ergänzte Scharley.
»Und einen Gesetzesbrecher aus mir zu machen?«
»Dir haben wir es doch zu verdanken«, entgegnete ihm der Demerit vorwurfsvoll, »dass wir zum Steubernhau reiten, du hast Krossig den Rastplatz des Steuereinnehmers verraten. Und wie schnell hast du ihn verraten, er hat dich nicht einmal lange schütteln müssen. Du hättest dich eben als härter erweisen müssen, mannhafter schweigen. Dann wärest du jetzt ein ehrlicher Gehängter, mit einem reinen Gewissen. Wie es scheint, hättest du dich dabei besser gefühlt.«
»Ein Verbrechen ist immer . . .«
Scharley räusperte sich, winkte dann ab und trieb sein Pferd an.
Vom sumpfigen Boden stieg Nebel empor. Das Moor schwankte und schmatzte unter den Pferdehufen. Frösche quakten, Käfer summten, Wildgänse schnatterten. Beunruhigte Enten schreckten auf und erhoben sich mit schwerem Flügelschlag in die Lüfte.
»Was Scharley getan hat, hat er für dich getan«, erklärte ihm Samson. »Du tust ihm Unrecht mit deinem Verhalten.«
»Ein Verbrechen . . .«, Reynevan räusperte sich, »ist und bleibt ein Verbrechen. Nichts kann es entschuldigen.«
»Wirklich?«
»Nein. Kann es nicht . . .«
»Weißt du was, Reynevan?« Zum ersten Mal zeigte Samson Honig so etwas wie Ungeduld. »Du solltest Schach spielen. Da ist alles ganz nach deinem Geschmack. Hier schwarz, dort weiß, und alle Felder sind quadratisch.«
»Woher wusstet ihr, dass ich auf Stolz ermordet werden sollte? Wer hat euch das gesagt?«
»Du wirst
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