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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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der Menge verloren, war in den Rufen, den Gesängen, der Musik und dem Geprassel des Feuers untergegangen. Jetzt, umfangen vom sanften Irrsinn erfüllter Liebe, kehrten die Worte zurück, klangvoll, deutlich. Eindringlich. Sie übertönten das Rauschen des Blutes in seinen Ohren. Aber verstand er sie auch wirklich?
     
    Ich bin die Schönheit der grünen Erde, ich bin Lilith, ich bin die Erste von allen, ich bin Astarte, Kybele, Hekate, ich bin Rigatona, Epona, Rhiannon, die nächtliche Stute, die Geliebte des Windes.
    Ehret mich in der Tiefe eurer Herzen, bringt das Opfer dar im Akt der Liebe und der Lust, denn ein solches Opfer ist mir genehm.
    Denn ich bin die unbefleckte Jungfrau, und ich bin die vor Verlangen glühende Geliebte der Götter und Dämonen. Wahrlich, ich sage euch: Wie ich mit euch war von Anbeginn, so werdet ihr mich auch am Ende finden.
     
    Sie fanden sie am Ende. Beide.
    Die Feuer sandten ein wildes Funkengestöber gen Himmel.
     
    »Verzeih mir«, sagte er, auf ihren Rücken blickend, »verzeih mir, was geschehen ist. Ich hätte nicht . . . Verzeih mir.«
    »Bitte?« Sie wandte ihm ihr Gesicht zu. »Was soll ich dir verzeihen?«
    »Das, was geschehen ist. Ich war unvernünftig . . . Ich habe mich vergessen. Ich habe mich nicht richtig verhalten . . .«
    »Soll ich das so verstehen«, unterbrach sie ihn, »dass du es bedauerst? Wolltest du das damit sagen?«
    »Ja . . . Nein! Nein, das nicht . . . Aber ich hätte . . . Ich hätte mich beherrschen müssen . . . Ich hätte vernünftiger sein sollen . . .«
    »Also bedauerst du es doch«, unterbrach sie ihn erneut. »Du machst dir Vorwürfe, fühlst dich schuldig. Du denkst, von Reue erfüllt, dass ein Schaden entstanden ist. Kurz gesagt, du würdest viel darum geben, wenn das, was geschehen ist, nicht geschehen wäre. Dass ich nicht vorhanden wäre.«
    »Hör mich an . . .«
    »Und ich . . .«, sie wollte ihn nicht anhören, »ich, wenn ich nur daran denke . . . Ich war bereit, mit dir zu gehen. Sofort, so wie ich hier bin. Dorthin, wo du hingehst. Bis ans Ende der Welt. Nur mit dir.«
    »Herr Biberstein . . .«, stotterte er und senkte den Blick, »dein Vater . . .«
    »Na klar . . .«, unterbrach sie ihn auch diesmal, »mein Vater. Er schickte Verfolger aus. Und zwei Verfolger sind eben zu viel für dich.«
    »Nicoletta . . . Du hast mich mich nicht verstanden.«
    »Du irrst dich. Ich habe verstanden.«
    »Nicoletta . . .«
    »Sag jetzt nichts mehr. Schlaf ein. Schlaf!«
    Sie berührte mit der Hand seine Lippen, mit einer derart raschen Bewegung, dass das Auge nicht folgen konnte. Er erschauerte.Und ohne zu wissen wie, fand er sich auf der kühleren Seite des Hügels wieder.
    Er schlief, nur für einen kurzen Moment, wie ihm schien. Aber als er erwachte, war sie nicht mehr bei ihm.
     
    »Natürlich«, sagte der Alp, »natürlich erinnere ich mich an sie. Aber es tut mir leid. Ich habe sie nicht gesehen.«
    Die Hamadryade, die ihn begleitete, stellte sich auf die Zehenspitzen, flüsterte ihm etwas ins Ohr und versteckte sich dann hinter seinem Rücken.
    »Sie ist ein bisschen scheu«, erklärte er und strich ihr über die struppigen Haare. »Aber sie kann helfen. Komm mit uns.«
    Sie stiegen den Hang hinunter. Der Alp summte vor sich hin. Die Hamadryade duftete nach Harz und feuchter Pappelrinde. Mabon ging zu Ende. Die Dämmerung erhob sich, schwer und trüb vom Nebel.
    In einer Gruppe von einigen wenigen Teilnehmern am Sabbat, die noch auf dem Erbsberg geblieben waren und diskutierten, entdeckten sie jenes weibliche Wesen, dessen Augen wie Phosphor glühten und dessen grüne Haut nach Quitten duftete.
    »Doch«, die Quitte nickte, »ich habe das Mädchen gesehen. Sie ist mit einer Gruppe Frauen Richtung Frankenstein gegangen. Schon vor einiger Zeit.«
    »Warte!« Der Alp ergriff Reynevan am Arm. »Ohne Hast! Und nicht hier entlang. An dieser Seite säumt der Schönwalder Wald den Berg, du verirrst dich darin, wie zwei und zwei vier ist. Wir werden dich führen. Außerdem müssen wir in dieselbe Richtung. Wir haben dort zu tun.«
    »Ich gehe mit euch«, sagte die Quitte. »Ich zeige euch, welchen Weg das Mädchen gegangen ist.«
    »Danke«, antwortete Reynevan. »Ich bin euch sehr dankbar. Wir kennen uns nicht . . . Und ihr helft mir . . .«
    »Wir sind daran gewöhnt, einander zu helfen.« Die Quitte wandte sich um und maß ihn mit ihrem Phosphorblick. »Ihrwart ein schönes Paar. Und von uns sind nur noch wenige übrig. Wenn wir uns nicht

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