Narrenturm - Roman
Bischof Konrad geschlossen haben. Der blutrünstige Propst hat beide zu Verrätern und Zauderern erklärt, und der Pöbel hat sich mit Dreschflegeln auf sie gestürzt, sie sind nur knapp mit dem Leben davongekommen. Seit dieser Zeit spricht Ambros nur noch von Rache . . . Reinmar? Was hast du?«
»Nichts.«
»Du siehst wie ein Gespenst aus«, meinte Scharley. »Du bist doch wohl nicht krank? Macht nichts. Kommen wir auf den Bischofszug zurück, werter Herr Mummolin. Was hat das mit uns zu tun?«
»Der Bischof hat Hussiten gefangen«, erklärte Horn. »Angeblich. Das heißt: Angeblich waren die Gefangenen Hussiten, denn gefangen hat er bestimmt wen. Angeblich hatte er eine Liste, nach der er vorgegangen ist. Habe ich schon gesagt, dass der Bischof gute Spione hat?«
»Habt Ihr«, Scharley nickte wieder. »Die Inquisition ist also damit beschäftigt, aus den Gefangenen Geständnisse herauszupressen. Also werden sie im Moment für uns keine Zeit haben, glaubt Ihr?«
»Das glaube ich nicht. Das weiß ich.«
Zu dem Gespräch, das unvermeidlich war, kam es am Abend.
»Horn.«
»Ich höre, mein Junge, und zwar mit der größten Aufmerksamkeit.«
»Den Hund, schade um ihn, hast du nicht mehr.«
»Das sieht man doch.« Urban Horns Augen verengten sich.
Reynevan räusperte sich laut, um Scharleys Aufmerksamkeit zu erregen, der ganz in der Nähe mit Thomas Alpha Schach spielte, mit Figuren aus Brot und Lehm.
»Du siehst hier auch«, fuhr er fort, »keinen Graben, keine Launen und kein Fluidum. Mit einem Wort, nichts, was dich davon abhielte, mir eine Frage zu beantworten. Die Gleiche, die ich dir schon in Balbinow gestellt habe, im Pferdestall meinesermordeten Bruders. Weißt du noch, was ich dich damals gefragt habe?«
»Ich habe keine Schwierigkeiten mit meinem Gedächtnis.«
»Gut. Die Antwort auf die Frage, die du mir schuldest, bereitet dir demnach auch keine Probleme. Also, ich höre. Rede, aber sofort!«
Urban Horn legte die Hände in den Nacken und streckte sich. Dann sah er Reynevan in die Augen.
»Na bitte, bitte«, sagte er, »wie unerbittlich. Aber sofort. Und wenn nicht sofort, was dann? Was geschieht, wenn ich die Frage nicht beantworte? Wenn man von der recht schlüssigen Annahme ausgeht, dass ich dir nichts schulde? Was? Wenn man fragen darf?«
»Dann«, Reynevan vergewisserte sich mit einem kurzen Blick, dass Scharley zuhörte, »dann wirst du eine ordentliche Tracht Prügel beziehen. Und das, bevor du noch sagen kannst:
Credo in unum Deum, Patrem omnipotentem.
«
Horn schwieg eine Zeit lang, ohne seine Position zu verändern oder die hinter dem Nacken verschränkten Hände herunterzunehmen.
»Ich habe bereits erwähnt«, sagte er endlich, »dass ich nicht überrascht war, dich hier zu sehen. Offensichtlich hast du die Warnungen und den Rat von Kanonikus Beess in den Wind geschlagen, auch auf mich hast du nicht gehört, und das musste für dich böse enden, es ist ein Wunder, dass du noch lebst. Aber du sitzt, mein Junge. Wenn du es bisher noch nicht begriffen hast, dann kapier’ es gefälligst jetzt: Du sitzt im Narrenturm. Und forderst von mir eine Antwort auf deine Frage, verlangst Erklärungen. Dich verlangt es nach Wissen. Und was, wenn man fragen darf, willst du damit anfangen? Womit rechnest du? Dass sie dich hier zum Fest der Wiederauffindung der Reliquie des heiligen Smaragdus herauslassen? Dass dir eine durch Reue verursachte gute Tat die Freiheit schenkt? O nein, Reinmar von Bielau. Auf dich wartet der Inquisitor und das Verhör. Weißt du, was ein
strappado
ist? Was denkst du, wielange hältst du durch, wenn sie dich an deinen nach hinten gedrehten Armen aufhängen? Nachdem man dir zuvor ein Gewicht von vierzig Pfund um die Knöchel gebunden hat? Und dir Fackeln unter die Achseln hält? Was? Wie lange dauert es deiner Meinung nach, bevor du anfängst zu singen? Ich sag’s dir: Bevor du
Veni Sancte Spiritus
sagen kannst.«
»Warum wurde Peterlin ermordet? Wer hat ihn getötet?«
»Du bist stur wie ein Kalbskopf, Junge. Hast du nicht begriffen, was ich gesagt habe? Ich sage dir nichts, nichts, was du unter der Folter ausplaudern könntest. Das Spiel ist zu ernst und der Preis zu hoch.«
»Welches Spiel?«, rief Reynevan. »Welcher Preis? Steckt euch doch eure Spiele sonst wohin! Deine Geheimnisse sind schon längst keine mehr, die Sache, der du dienst, ist auch kein Geheimnis mehr. Denkst du, ich kann zwei und zwei nicht zusammenzählen? Du sollst wissen, dass ich darauf
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