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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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einen Pakt mit dem Teufel zu unterschreiben?«
    »Nein«, sagte der Rabbi, »dieses Märchen ist nicht gemeint.«
    Der Reiter prustete vor Lachen.
    »Ich bin Urban Horn«, sagte er und sah Reynevan unverwandt an. »Wem durften Beelzebub und ich zu Hilfe eilen?«
    »Rabbi Hiram ben Elieser aus Brieg.«
    »Dorothea Faber.«
    »Lancelot vom Wagen.« Reynevan war trotz allem misstrauisch geblieben.
    Urban Horn lachte wieder und zuckte mit den Achseln.
    »Ich nehme an, Euer Weg führt nach Strehlen. Ich bin auf dem Weg hierher einem Reisenden begegnet, der ebenfalls dorthin unterwegs ist. Wenn ich Euch raten darf, so bittet ihn inständig, dass er euch mitnimmt, bevor ihr hier mit einem gebrochenen Rad die Nacht verbringt. Das ist besser. Und sicherer.«
    Rabbi Hiram ben Elieser warf einen bedauernden Blick auf sein Fuhrwerk und gab mit einem Nicken seines Bartes dem Fremden recht.
    »Und jetzt«, der Fremde blickte über die Wipfel der Bäume zum Wald, »lebt wohl. Mich ruft die Pflicht.«
    »Ich dachte«, wagte Reynevan zu fragen, »Ihr hättet denen nur Angst einjagen wollen . . .«
    Der Reiter blickte ihm in die Augen, sein Blick war kalt. Eisig kalt.
    »Ich wollte ihnen Angst machen, gab er zu. Aber ich, Lancelot, mache meine Drohungen wahr.«
     
    Der von Urban Horn angekündigte Reisende erwies sich als Priester. Von beträchtlicher Leibesfülle, mit weit ausrasierter Tonsur und in einen Mantel mit Iltisbesatz gehüllt, lenkte er einen großen, geräumigen Wagen.
    Der Priester hielt das Pferd an, lauschte, ohne vom Kutschbock herunterzusteigen, ihrem Bericht, starrte das Fuhrwerk mit der gebrochenen Achse an, musterte aufmerksam jeden Einzelnen der drei Bittsteller und schien allmählich auch zu begreifen, worum sie ihn baten . . .
    »Wie das denn?«, fragte er schließlich ungläubig. »Nach Strehlen? Auf meinem Wagen?«
    Die Bittsteller nahmen eine noch unterwürfigere Pose ein.
    »Ich, Philip Granciszek aus Ohlau, Pfarrer der Kirche der Gottesmutter des Trostes, ein guter Christ und katholischer Geistlicher, soll einen Juden in meinem Wagen mitnehmen? Eine Hure? Und einen Landstreicher?«
    Reynevan, Dorothea Faber und Rabbi Hiram ben Elieser blickten einander mit betretener Miene an.
    »Steigt auf«, sagte der Priester, nachdem er sich endlich zu einer Entscheidung durchgerungen hatte. »Ich wäre ein schrecklicher Knauser, wenn ich euch nicht mitfahren ließe.«
     
    Noch keine Stunde war verstrichen, als der vom Tau nasse Beelzebub vor dem Wagen des Priesters auftauchte, der von einem stämmigen Wallach gezogen wurde. Und kurze Zeit später erschien auch Urban Horn auf seinem Rappen.
    »Ich reite mit Euch bis nach Strehlen, erklärte er ohne Umschweife. Natürlich nur, wenn Ihr nichts dagegen habt.«
    Niemand hatte etwas dagegen.
    Nach dem Schicksal der Banditen fragte keiner. Und aus Beelzebubs klugen Augen ließ sich nichts herauslesen.
    Oder alles.
     
    Und so fuhren sie auf dem Weg nach Strehlen das Tal der Ohle entlang, durch dichte Wälder, durch Heidekraut und Wiesen. Allen voran, wie ein Läufer, jagte die Dogge Beelzebub. Der Hund kontrollierte den Weg, manchmal verschwand er im Wald, durchstöberte Gebüsch und Gras. Verschreckte Hasen oder Elstern zu jagen und zu verbellen, gehörte nicht zu seinen Pflichten, das war deutlich unter der Würde des schwarzen Hundes. Und Urban Horn, der Reiter mit den kalten Augen, der auf seinem schwarzen Hengst neben dem Wagen herritt, musste den Hund nicht ein einziges Mal zur Ordnung rufen.
    Dorothea Faber lenkte den von einem kräftigen Wallach gezogenen Wagen des Priesters. Das rothaarige Freudenmädchen aus Brieg hatte sich dies vom Propst ausbedungen und betrachtete es als eine Art Bezahlung für die Mitfahrgelegenheit. Sie kutschierte vorzüglich und mit großem Geschick, und so konnte sich der neben ihr auf dem Kutschbock sitzende Philip Granciszek ohne Angst um sein Gefährt ein Schläfchen gönnen oder diskutieren.
    Hinten im Wagen auf den Hafersäcken dösten oder diskutierten, je nach Lage der Dinge, Reynevan und Rabbi Hiram ben Elieser.
    Das Ende des Zuges bildete die an den Sprossen des Wagens festgebundene Stute des Juden.
    So fuhr man dahin, döste, diskutierte, schwieg, diskutierte und döste von Neuem. Man aß auch dies und das. Man leerte ein Krüglein Branntwein, das Pfarrer Granciszek aus seinem Gepäck hervorzog. Man leerte ein zweites, das Rabbi Hiram unter seinem Fuchspelz hervorholte.
    Bald, etwa kurz hinter Wüstebriese, stellte sich heraus,

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