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Narrenwinter

Narrenwinter

Titel: Narrenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
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eilig, zum nächsten Auftritt.“
    Käfer kehrte an seinen Tisch zurück. Eustach Schiller war im Begriff zu gehen. „Ja dann, meine Herren. Ich habe zu tun. In mir keimt der Wunsch nach einer neuen Metamorphose.“
    „Muss ich wieder Angst haben, Herr Schiller?“
    „Woher soll ich das wissen?“
    „Ja, woher wohl. Viel Spaß dann!“ Käfer wandte sich Hubert Schlömmer zu. „Eine Frage hätt ich, eine Bitte eigentlich.“
    „Sag’s halt.“
    „Die Sabine kommt mit eurem Fasching irgendwie nicht zurecht. Sag, könntest du ihr ein bisschen beistehen, mit Rat und Tat, ihr erklären, worum es wirklich geht? Ich meine, du bist ja nicht irgendwer, als Trommelweib.“
    Hubert Schlömmer nickte, stand auf und ging. Käfer blieb noch eine gute Weile sitzen, trank Bier und gab sich resignierend seiner Verwirrung hin. Aber er fand mehr und mehr Vergnügen am Narrentreiben, und es gelang ihm ohne große Mühe, auch seine berufliche Zukunft und Bruno Puntigam in diesem Lichte zu sehen. Einige Gäste schauten verwundert auf, als Käfer unvermutet vor sich hin lachte. Er zahlte und verließ das Gasthaus Zur Traube.
    Draußen war es längst dunkel geworden, schneidend kalter Wind blies ihm feine Schneeflocken ins Gesicht. Die Glocken der Pfarrkirche läuteten zum Abendgottesdienst. Käfer hatte seine Zweifel daran, ob sich viele Gläubige einfinden würden an diesem verrückten Sonntag. Vielleicht hatte sogar der hochwürdige Herr Pfarrer noch etwas anderes vor heute Abend. Fröstelnd, mit hochgezogenen Schultern, schlenderte Käfer über den fast menschenleeren Meranplatz. Im Ortszentrum ging es dann doch wieder recht lebhaft zu, doch Käfer wich den Maschkeragruppen aus, weil er Ruhe haben wollte. Er entschloss sich zu einem kleinen Spaziergang im Kurpark und hoffte, dass die neue Brücke über dem Zusammenfluss von Altausseer Traun und Grundlseer Traun in gnädiges Dunkel gehüllt sein würde. Doch schon von weitem sah er er sie hell beleuchtet: Stahlbeton in seiner präpotentesten Form. Zu seinem Erstaunen bemerkte Käfer aber auch, dass sich viele Menschen davor drängten. Er trat näher und erkannte, Böses ahnend, was oder wen es hier zu sehen gab. Auf dem schmalen, mit Schnee und Eis bedeckten Brückenrand trippelte ein Vogel in Menschengröße, der einer Taube annähernd ähnlich war. Ab und zu wagte das Federtier einen gezierten Hüpfer, kam dabei bedenklich aus dem Gleichgewicht und nahm es offenbar in Kauf, irgendwann auszurutschen und zu fallen. Käfer drängte sich durch, betrat die Brücke und blieb vor dem Vogel stehen. „Herr Schiller, wie ich vermute?“
    „In der Tat. Sie sehen in mir eine Friedenstaube, das Kostüm hatte ich noch vom letzten Jahr im Fundus. Meine Idee war, dass ein solches Tier auf einem Objekt, das zu Rede und Widerrede, was sage ich, zu Streit und Hader herausfordert, doch am Platze sei. Als kleine Pointe trage ich übrigens keinen Ölzweig im Schnabel, sondern die täuschend echte Nachbildung einer Stange Dynamit.“
    Jetzt wagte der Vogel einen besonders hohen Sprung, schlug die Füße zusammen, landete unsicher, stolperte und stieß einen schrillen, angsterfüllten Schrei aus. Käfer griff rasch nach einem der lächerlich kurzen Flügel und bewahrte Schiller vor einem Sturz ins eiskalte Wasser. „Sind Sie verrückt geworden? Sie können sich den Tod holen da unten.“
    „Ja, und?“ Schiller hopste unbeholfen auf den Boden.
    Wortlos schob Käfer seinen Schützling von der Brücke und durch die Menge, die sich allmählich zerstreute. Fast unbeobachtet gingen die beiden durch einen dunkleren Teil des Parks. Schiller hatte den Kopf seiner Maske nach hinten geklappt und sah nun aus wie ein Geschöpf aus einer bislang unbekannt gebliebenen männlichen Unterart der Harpyen. „Jetzt einmal im Ernst, Herr Schiller: Solche Narreteien finde ich ganz und gar nicht lustig.“
    „Ich kann Sie verstehen, Herr Käfer. Doch verstehen Sie mich?“
    „Von Tag zu Tag weniger, ich möchte sagen, von Stunde zu Stunde.“
    „Doch dass ich meine aufgeblasene Existenz als weitgehend verzichtbar einstufe, wissen Sie?“
    „Ihr faschingsbedingter Weltschmerz. Das legt sich.“
    „Kann sein. Aber es kommt so einiges zusammen. Hier, im Salzkammergut, und mehr noch im Ausseerland, dachte ich so etwas wie meine Seelenlandschaft gefunden zu haben. Also war ich und bin ich stets bereit zu investieren, was hierzulande auf zustimmendes Nicken stößt.“
    „Doch schön: Sie werden gebraucht!“
    „Als

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