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Narrenwinter

Narrenwinter

Titel: Narrenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
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jetzt?“
    „Verwöhnter Fratz!“
    „Recht hast.“
    Käfer lachte. „Das erinnert mich an eine meiner Lieblingsgeschichten – von Frank Endrikat übrigens, sagt dir wahrscheinlich nichts.“
    „Nein. Aber erzähl.“
    „Ein Ehepaar hat einen perfekten chinesischen Diener, der den beiden jeden Wunsch von den Augen abliest. Natürlich erkennt der kluge Mann auch, dass dieser Zustand bald einmal fad wird. Er schlägt also vor, einfach irgend jemanden vom Bahnhof abzuholen, das sei doch recht spannend. So kommt ein Gast ins Haus, wird freundlichst bewirtet, und es ist ihm schrecklich peinlich gestehen zu müssen, dass er ein gedungener Mörder ist. Bald würde er seinem Auftrag nachkommen müssen, das Ehepaar umzubringen.“
    „Hast irgendwelche Waffen bei dir, Daniel?“
    „Blödsinn. Der Mörder windet sich jedenfalls vor Verlegenheit, das Ehepaar ist wohlig erregt – da läutet es an der Tür. Der Diener nimmt ein Telegramm entgegen, das an den Mörder gerichtet ist. Letzterer liest und gibt erleichtert kund, dass sein Auftrag nunmehr zurückgezogen sei, bedankt sich und geht. Randbemerkung: Die ganze Geschichte war natürlich nur eine Inszenierung des chinesischen Dieners. Trotzdem ist das Ehepaar ergötzt, trinkt Likör, und sie nimmt dabei in der Pendeluhr Platz, um es immerhin ein wenig unbequem zu haben.“
    „Ich seh weit und breit keine Pendeluhr, Daniel. Aber die Geschichte ist gut. Was ich sagen wollte: Mit dir ist wieder Spannung ins Haus gekommen, und das mag ich. Versteh mich recht: Auch wenn ich ein bisschen verliebt sein sollte, ich bin weit davon entfernt, den Kopf zu verlieren. Aber du tust mir gut. So ist es halt.“
    „Danke! Und was willst du noch von mir, Christine?“
    „Hellseher.“ Sie goss wieder nach, trank, starrte vor sich hin, stand auf, nahm die beiden Tassen und schüttete den Lupitscher ins Abwaschbecken. „Entschuldige, es hat nicht funktioniert.“
    „Was?“
    „Na, Mut antrinken, Hemmungen wegsaufen.“
    „Wegen dem Aschermittwoch?“
    „Ja. Ich meine, dass sich der Sepp das Leben unnötig schwer macht, und ich hab mir gedacht, wir zwei könnten was daran ändern. Können wir aber nicht, nicht hinter seinem Rücken.“
    „Aber vielleicht vor seinen Augen?“
    „Erst recht nicht.“
    „Ist was mit dem Herzmanovsky?“
    „Schluss jetzt. Zeit, dass du gehst, Daniel, sonst bleibst womöglich.“
    Auf dem Weg zurück nach Aussee dachte Käfer über das seltsam einträchtige Mittagessen mit Christine Köberl nach und über ihre offenbar mustergültige Ehe. Er versuchte sich die letzte Zeichnung des Lehrer-Faschingsbriefes in allen Details vorzustellen. Neben Sepp und seinem Bücherstapel waren jedenfalls drei Frauen wichtig: Die eine mit dem Kussmund, die er offenbar erreichen wollte, und zwei weitere, die seinen Misserfolg erwarteten – und zwar ohne Schadenfreude, doch mit hilfreich ausgebreiteten Armen. Der Sepp, ein Frauenheld? Beneideten ihn die zwei boshaften Lehrerkollegen, die ihn zu Fall bringen wollten? Und was hatten die gemeinderätlichen Geier auf dem Dachfirst zu suchen? Leiser Trommelklang unterbrach Käfers Gedanken.
    Nachdem er die Traun überquert hatte, sah er den Zug kommen. Die lebendige Fülle weißer Leiber zwängte sich vom Oberen Markt her durch eine enge, steil abfallende Gasse. Käfer blieb vor dem Gasthaus Zum Weißen Rössl stehen und betrachtete fasziniert dieses bedächtige, kraftvolle Schauspiel.
    „Kulturbanause! Statt sich an trunkenen Transvestiten zu weiden, sollten Sie sich einem der ältesten Häuser der Stadt zuwenden. Aber nein, Sie weisen ihm den Rücken!“
    Käfer wandte überrascht den Kopf. Er hatte Eustach Schillers Stimme erkannt, erblickte aber nun einen Mann in der altmodischen Uniform der Gendarmerie, die längst zur Polizei geworden war.
    „Grüß Gott, Herr Ordnungshüter. Welche Amtshandlung steht an?“
    „Das werden Sie gleich sehen!“
    Schiller betrat strammen Schrittes die Hauptstraße und tat dann etwas Ungeheuerliches: Er gebot dem Zug der Trommelweiber mit ausgebreiteten Armen Halt. „Stehen geblieben! Wird’s schon?“
    Langsam stockte die Bewegung.
    „Trommelweiber! Trommelgesindel! Trommelbagage! Trommelgezücht!“
    Während die meisten der maskierten Gestalten einfach abwartend dastanden, bildeten einige von ihnen, darunter Dirigent und Fahnenträger, einen Halbkreis um den falschen Gendarmen.
    „Elender Trommelhaufen! Glaubt etwas Besonderes zu sein und ist doch nur eine fuseltriefende Farce,

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