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Narziss und Goldmund

Titel: Narziss und Goldmund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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umzugehen.
    Goldmund gehörte nicht zu jenen unseligen Künstlern, welche wohl hohe Gaben haben, zu ihrer Äußerung aber nie die rechten Mittel finden. Es gibt ja manche solche Menschen, welchen es gegeben ist, die Schönheit der Welt tief und groß zu empfinden und in ihrer Seele hohe, edle Bilder zu tragen, welche aber nicht den Weg finden, sich dieser Bilder wieder zu entäußern und sie zur Freude der andern herauszustellen und mitzuteilen. Goldmund litt nicht an diesem Mangel. Es fiel ihm leicht und machte ihm Spaß, seine Hände zu bra uchen und die Griffe und Fertig keiten des Handwerks zu lernen, ebenso wie es ihm leichtfiel, am Feierabend bei einigen Kameraden das Spielen der Laute zu lernen und am Sonntag auf den Tanzplätzen der Dörfer das Tanzen. Es lernte sich leicht, es ging von selber.
    Wohl mußte er sich mit dem Holzschnitzen immerhin ernstlich mühen, m ußte Schwierigkeiten und Enttäu schungen finden, mußte dies und jenes hübsche Stuck Holz zuschanden hauen und sich mehrmals tüchtig in die Finger schneiden. Aber er kam rasch über die Anfange hinweg und erwarb Geschicklichkeit. Dennoch war der Meister oft sehr unzufrieden mit ihm und sagte ihm etwa:
    »Es ist gut, daß du nicht mein Lehrling oder Geselle bist, Goldmund. Es ist gut, daß wir wissen du kommst von der Landstraße und aus den Wäldern und wirst eines Tages wieder zu ihnen zurückkehren. Wer dies nicht wüßte, daß du kein Bürger und Handwerker bist, sondern ein Heimatloser und Bummler, der könnte leicht in Versuchung kommen, dies und jenes von dir zu verlangen, was jeder Meister von seinen Leuten verlangt. Du bist ein ganz guter Arbeiter, wenn es deine Laune gerade so will. Aber letzte Woche hast du zwei Tage gebummelt. Gestern hast du in der Hofwerkstatt, wo du die zwei Engel polieren solltest, den halben Tag geschlafen.«
    Er hatte recht mit seinen Vorwürfen, und Goldmund hörte sie auch schweigend an, ohne sich zu rechtfertigen.
    Er wußte selbst, daß er kein zuverlässiger und fleißiger Mensch sei. Solange eine Arbeit ihn fesselte, ihm schwierige Aufgaben stellte oder ihn seiner Fertigkeit bewußt und froh werden ließ, war er ein eifriger Arbeiter. Schwere Handarbeit tat er ungern, und jene nicht schwierigen, aber Zeit und Fleiß fordernden Arbeiten, deren viele zum Handwerk gehören und die mit Treue und Geduld getan sein wollen, waren ihm oft ganz unleidlich. Er wunderte sich selbst manchmal darüber. Hatten die paar Jahre Wanderschaft genügt, um ihn faul und unzuverlässig zu machen? War es die Erbschaft der Mutter, die in ihm wuchs und überhand nahm? Oder woran denn fehlte es? Er erinnerte sich sehr wohl an seine ersten Klosterjahre, wo er ein so eifriger und guter Ler ner gewesen war. Warum denn hatte er damals so viel Geduld aufgebracht, die ihm jetzt fehlte, warum war es ihm gelungen, sich der lateinischen Syntax so unermüdlich hinzugeben und alle diese griechischen Aoriste zu erlernen, die ihm im Herzensgrunde doch wirklich nicht wichtig waren? Er dachte manchmal daran herum. Es war die Liebe gewesen, die ihn damals gestählt und beflügelt hatte, sein Lernen war nichts anderes gewesen als ein inständiges Werben um Narziß, und dessen Liebe war nur auf dem Wege der Achtung und Anerkennung zu erwerben gewesen. Damals konnte er für einen anerkennenden Blic k des geliebten Lehrers stunden - und tagelang sich mühen. Dann war das ersehnte Ziel erreicht, Narziß war sein Freund geword en, und merkwürdi gerweise war gerade der gelehrte Narziß es gewesen, der ihm seine Untauglichkeit zum Gelehrten gezeigt und das Bild der verlorenen Mutter in ihm beschworen hatte. Statt Gelehrsamkeit, Mönchsleben und Tugend waren mächtige Urtriebe seines Wesens seine Herren geworden. Geschlecht, Frauenliebe, Drang nach Unabhängigkeit, Wanderschaft. Nun aber hatte er jene Marienfigur des Meisters gesehen, hatte einen Künstler in sich entdeckt, hatte einen neuen Weg betreten und war wieder seßhaft geworden.
    Wie stand es nun? Wo ging sein Weg weiter? Woher kamen die Hemmnisse?
    Er konnte es vorerst nicht erkennen. Er konnte nur dies einsehen, daß er den Meister Niklaus zwar sehr bewundere, aber keineswegs in der Weise liebe, wie er einst Narziß geliebt hatte, ja daß es ihm zuweilen Freude mache, ihn zu enttäuschen und zu ärgern. Es hing, so schien es, mit dem Zwiespalt in des Meisters Wesen zusammen. Die Figuren von Niklaus’ Hand, wenigstens die besten von ihnen, waren für Goldmund verehrte Vorbilder, der Meister

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