Narziss und Goldmund
Meisterschaft gemacht, die Freude der Kunstliebhaber, der Schmuck der Kirchen und Ratssäle – schöne Dinge, ja, aber nicht heilige, nicht echte Seelenbilder. Er kannte nicht nur von Niklaus und anderen Meistern manche solche Werke, die bei aller Anmut der Erfindung und aller Sorgfalt der Arbeit doch eben nur Spielereien waren. Er wußte es, zu seiner Beschä mung und Trauer, auch schon im eigenen Herzen, hatte es in seinen eigenen Händen gespürt, wie ein Künstler solche hübsche Dinge in die Welt stellen kann, aus Lust am eigenen Können, aus Ehrgeiz, aus Tändelei.
Als ihm diese Erkenntnis zum ersten Male kam, wurde er todestraurig. Ach, um hübsche Engelsfigürchen oder andern Tand zu machen, und sei er noch so hübsch, lohnte es sich nicht, Künstler zu sein. Für andere vielleicht, für Handwerker, für Bürger, für stille zufriedene Seelen mochte es sich lohnen, für ihn aber nicht. Für ihn waren Kunst und Künstlerschaft wertlos, wenn sie nicht brannten wie Sonne und Gewalt hatte n wie Stürme, wenn sie nur Beha gen brachten, nur Angenehmes, nur kleines Glück. Er suchte anderes. Eine zierlich wie Spitzenwerk gebaute Marienkrone schön mit blankem Blattgold zu vergolden, war keine Arbeit für ihn, auch wenn es gut bezahlt wurde.
Warum nahm Meister Niklaus alle diese Auftrage an? Warum hielt er sich zwei Gehilfen? Warum hörte er stundenlang diese Ratsherren oder Propste an, wenn sie ein Portal oder eine Kanzel bei ihm bestellten, mit dem Ellenmaß in der Hand? Er tat es aus zwei Gründen, zwei schäbigen Gründen: weil er darauf hielt, ein berühmter und mit Aufträgen überhäufter Künstl er zu sein, und weil er Geld an häufen wollte, Geld nicht für große Unternehmungen oder Genüsse, sondern Geld für seine Tochter, die schon längst ein reiches Mädchen war, Geld für ihre Aussteuer, für Spitzenkragen und Brokatkleider und für ein nußbaumenes Ehebett v oll kostbarer Decken und Leinen zeuge! Als ob das schone Mädchen die Liebe nicht auf jedem Heuboden ebensogut erfahren konnte!
Tief rührte sich in den Stunden solcher Betrachtungen das Blut der Mutter in Goldmund, der Stolz und die Verachtung des Heimatlosen gegen die Seßhaften und Besitzenden.
Zuweilen war ihm das Handwerk und der Meister zuwider wie fädige Bohnen, oft war er nahe am Davonlaufen.
Auch der Meister hatte es schon manches Mal ärgerlich bereut, daß er sich auf diesen schwierigen und unzuverlässigen Burschen eingelassen habe, der seine Geduld oft auf schwere Proben stellte. Was er vom Lebenswandel Goldmunds erfuhr, von seiner Gleichgültigkeit gegen Geld und Besitz, seiner Verschwendungslust, seinen vielen Liebschaften, seinen häufigen Raufereien, konnte ihn nicht milder stimmen, er hatte da einen Zigeuner, einen unvertrauten Gesellen bei sich aufgenommen. Auch war ihm nicht entgangen, mit welchen Augen dieser Vagabund seine Tochter Lisbeth betrachtete. Wenn er dennoch für ihn mehr Geduld aufbrachte, als ihm leichtfiel, so tat er es nicht aus Pflichtgefühl und Ängstlichkeit, sondern des Jüngers Johannes wegen, dessen Figur er entstehen sah.
Mit einem Gefühl von Liebe und Seelenverwandtschaft, das er sich nicht ganz eingestand, sah der Meister zu, wie dieser aus den Wäldern ihm zugelaufene Zigeuner aus jener so rührenden, so schönen und doch so ungeschickten Zeichnung, deretwegen er ihn damals bei sich behalten hatte, nun langsam und launisch, aber zäh und unfehlbar seine hölzerne Jungerfigur bildete. Sie würde, daran zweifelte der Meister nicht, trotz aller Launen und Unterbre chungen einmal fertig werden, und dann würde sie ein Werk sein, wie es keiner seiner Gesellen je machen konnte, wie es auch großen Meistern nicht viele Male glückt. So vieles dem Meister an seinem Schüler mißfiel, so manchen Tadel er ihm spendete, so oft er wütend über ihn war – über den Johannes sagte er ihm nie ein Wort.
Der Rest von Jünglingsanmut und knabenhafter Kindlichkeit, wegen deren Goldmund so vielen Wohlgefallen hatte, war ihm in diesen Jahren allmählich verlorengegangen. Er war ein schöner und starker Mann geworden, sehr begehrt von den Frauen, bei den Männern wenig beliebt. Auch sein Gemüt, sein inneres Antlitz hatte sich sehr verändert, seit Narziß ihn aus dem holden Schlaf seiner Klosterjahre erweckt hatte, seit Welt und Wanderschaft ihn geknetet hatten. Aus dem h übschen, sanften, bei allen beliebten, frommen und dienstwilligen Klosterschüler war längst ein ganz anderer Mensch geworden. Narziß
Weitere Kostenlose Bücher