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Narzissen und Chilipralinen - Roman

Narzissen und Chilipralinen - Roman

Titel: Narzissen und Chilipralinen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Dalinger
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verschwindet und überlässt es seiner Mutter, sich um uns zu kümmern. Daniel geht mit ihr in die Küche, um sie dabei zu beraten, welche Teesorte wir mögen könnten – dafür ist ein Blick in den Küchenschrank unumgänglich –, und ich in den Flur, von dem mehrere Zimmertüren abgehen. Wenn Finn mich erwischt, kann ich immer noch sagen, dass ich aufs Klo muss.
    Ich öffne aufs Geratewohl eine Zimmertür. Das elterliche Schlafzimmer. Herr Erlmeyer ist fast nie da, der ist auf Montage oder so. Das nächste ist eine Gästetoilette. Aus dem Bad daneben höre ich Wasserprasseln, also steht Finn wohl tatsächlich unter der Dusche. Dann ist hinter der nächsten Tür bestimmt seine Bude.
    Abgeschlossen. Mist.
    Ich gehe kurz auf die Gästetoilette und benutze die Klospülung, woraufhin ein kurzer Aufschrei aus dem Bad ertönt. Tut mir leid, aber das musste sein, das ist die Rache für die verschlossene Tür.
    Als ich ins Wohnzimmer zurückkehre, sind Finns Mutter und Daniel gerade dabei, über Papas Predigt vom vergangenen Sonntag zu diskutieren. Finns Eltern sind regelmäßige Kirchgänger, aber auch nicht übereifrig. Freundliche Menschen.
    »Sag deinem Vater, dass ich die kleinen Geschichten liebe, die er immer erzählt«, sagt sie. Dann beugt sie sich vor und senkt die Stimme. »Wie schön, dass ihr hier seid. Finn ist nicht mehr derselbe, seit das mit seiner Freundin passiert ist. Er war so glücklich, wisst ihr.« Sie seufzt. »Und jetzt ... gut, wenn sich jemand um ihn kümmert, denn mit mir spricht er ja nicht.«
    Als Finn zu uns stößt, mit nassen Haaren, noch ein Handtuch um die Schultern, lässt sie uns allein. Sie tritt auf den Balkon hinaus und macht die Tür sacht zu. Durch die Glasscheibe sehe ich sie auf einem Plastikstuhl sitzen und nach draußen schauen, als wollte sie es auf keinen Fall verpassen, falls Tine gerade jetzt die Straße entlangschlendert.
    »Hey, Leute.« Er tut so, als wäre es völlig normal, dass wir ihn besuchen. Dabei fand nicht einmal Daniel es normal, als ich ihn mit dieser Idee überfallen habe. Finn und er verstehen sich ganz gut, sie kommen prima miteinander aus, aber sie sind nicht so enge Freunde, dass sie zusammen abhängen. Er wird nichts dabei finden, habe ich gesagt. Wir kommen, um ihn quasi moralisch zu unterstützen.
    Nur dass wir aus einem ganz anderen Grund hier sind.
    Fast könnte ich ein schlechtes Gewissen bekommen, weil Finn sich ehrlich zu freuen scheint. Er reicht uns die Kekse rüber und fragt, was bei uns so los ist.
    Wir sprechen nicht über Tine. Wir klammern sie aus jedem Satz, jedem Wort aus. Als wäre ihr Name ein Stachel, an dem wir uns stechen könnten.
    »Oh Mann, der Arme«, sagt Daniel, als wir uns auf den Nachhauseweg machen. »Ich will mir gar nicht vorstellen, wie ich mich in seiner Situation fühlen würde.«
    »Ich werde nicht verschwinden«, verspreche ich. Ich bin immer noch unzufrieden damit, dass ich nicht in Finns Zimmer geguckt habe. Als wir schon auf dem Gehweg sind, winkt uns Frau Erlmeyer vom Balkon aus zu. Da fällt mir auf, dass es dort oben zwei Glastüren gibt. Die eine führt ins Wohnzimmer, das weiß ich, doch die andere? Könnte Finns Tür ebenfalls auf den Balkon hinausgehen? Dann hätte ich mich ja zu seiner Mutter stellen, die Sicht auf die anderen Reihenhäuser bewundern und rasch durch die Scheibe spähen können. Vielleicht hätte das schon gereicht! Um zu sehen, ob bei ihm Fotos von ihr hängen, oder was einem sonst so Merkwürdiges auffallen könnte.
    So was Dummes! Die Chance habe ich verpasst.
    »Der ist völlig fertig«, spricht Daniel weiter. »Auch wenn er versucht, sich nichts anmerken zu lassen.«
    Ich höre ihm kaum zu. Ich bin immer noch in der Wohnung. Soll ich Frau Erlmeyer noch mal besuchen, wenn Finn nicht da ist? Und dann mit ihr auf den Balkon gehen? Aber sie wird es komisch finden, wenn ich durchs Glas in sein Zimmer spioniere.
    Die nächste Idee, bitte.
    »Du solltest ihn endlich von der Liste deiner Verdächtigen streichen«, sagt Daniel. »Du bist sauer auf ihn. Wegen Bastian. Und weil er dich beleidigt hat. Aber deswegen ist er noch lange kein Mörder.«
    »Seine Tür war abgeschlossen.«
    Er schaut mich an, als hätte ich mich gerade als Alien entpuppt, obwohl er doch die ganze Zeit dachte, ich sei ein Mädchen.
    »Schon mal was von Privatsphäre gehört? Er ist erwachsen und wohnt bei seinen Eltern, also warum sollte er seine Tür nicht abschließen?«
    »Wer tut denn so was?«, frage ich zurück.

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