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Naschkatze

Titel: Naschkatze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Cabot
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gesehen habe. Aber halbwegs okay.
    Aber wenn die Kundin das Siegel an der Box aufgebrochen hat, weil ihre Tochter das Kleid bei ihrer Hochzeit tragen soll, wird sie eine Überraschung erleben. Denn ich kann mir das zierliche kleine Mädchen nun wirklich nicht in diesem hochgeschlossenen viktorianischen Kleid vorstellen.
    »So etwas habe ich schon tausend Mal gesehen«, erklärt Monsieur traurig. »Was für eine Schande!«
    »Ist das Kleid hoffnungslos ruiniert?«, fragt die ältere Frau erschrocken. »Lässt es sich noch retten?«
    Skeptisch zuckt er die Achseln. »Das weiß ich nicht.« Vermutlich will er die beiden manipulieren. Das Kleid müsste nur eine Weile in Weißweinessig eingeweicht werden. Und dann vielleicht eine Spülung mit kaltem Wasser und ein bisschen OxiClean...
    »Was für ein Pech!«, meint das Mädchen, bevor er weitersprechen kann. »Nun brauchen wir ein neues Kleid.«
    »Nein, Jennifer, du bekommst kein neues Kleid«, zischt die Mutter. »Dieses hier war gut genug für mich und gut genug für deine Schwestern. Also ist es auch gut genug für dich!«

    Rebellierend verzieht Jennifer das Gesicht. Um das zu bemerken, braucht Monsieur Henri keine Brille. Er zögert. Anscheinend weiß er nicht, wie er sich jetzt verhalten soll. Madame Henri räuspert sich.
    Bevor sie den Mund aufmachen kann, mische ich mich ein. »Diese Flecken lassen sich entfernen. Aber das ist nicht das eigentliche Problem, nicht wahr?«
    Jennifer mustert mich misstrauisch. So wie alle anderen Anwesenden.
    »Elizabeth...« Zum ersten Mal in unserer Bekanntschaft spricht Monsieur Henri mich mit meinem Vornamen an. Mit zuckersüßer Stimme, so dass ich die Heuchelei sofort erkenne. Zweifellos will er mich ermorden. »Da gibt es kein Problem.«
    »Doch«, flöte ich und imitiere sein falsches Lächeln. »Schauen Sie sich dieses Kleid an. Dann schauen Sie Jennifer an.« Alle inspizieren erst das Kleid, dann Jennifer, die sich verlegen windet. »Sehen Sie das Problem?«
    »Nein«, entgegnet ihre Mutter kategorisch.
    »Wahrscheinlich stand Ihnen das Kleid sehr gut, Mrs....«
    Ich unterbreche mich. Fragend schaue ich Jennifers Mom an, die sich vorstellt. »Harris.«
    »Also, Mrs. Harris«, fahre ich fort, »weil Sie eine stattliche, haltungsbewusste Frau sind, war dieses Kleid genau richtig für Sie. Aber Jennifer ist zierlich gebaut. In dieser Fülle von Stoff würde sie ertrinken.«
    Jennifers Augen verengen sich. »Siehst du?«, zischt sie und wirft einen messerscharfen Blick in die Richtung ihrer Mutter. »Das habe ich doch gesagt.«
    »Eh – oh …«, stottert Monsieur Henri unbehaglich und erweckt immer noch den Eindruck, er würde mich am liebsten
umbringen. »Genau genommen ist Mademoiselle Elizabeth keine – eh – Angestellte...«
    »Aber dieses Kleid könnte leicht geändert werden, um einer jungen Dame mit Jennifers Proportionen zu schmeicheln«, unterbreche ich ihn und zeige auf den hochgeschlossenen Kragen. »Das würde man mit einem Dekolleté erreichen. Und vielleicht sollte man die Ärmel weglassen...«
    »Auf keinen Fall!«, widerspricht Mrs. Harris. »Das würde sich bei einer katholischen Zeremonie nicht schicken.«
    »Dann müsste man die Ärmel enger machen«, füge ich aalglatt hinzu, »damit sie nicht mehr so auftragen. Jennifer hat eine wundervolle Figur. Die darf sie nicht verstecken. Schon gar nicht an einem Tag, an dem sie so gut wie möglich aussehen möchte.«
    Aufmerksam hört Jennifer zu. Das merke ich, weil sie aufgehört hat, an ihrem Haar zu zupfen. »Ja«, bestätigt sie eifrig. »Siehst du’s, Mom? Genau das habe ich dir immer gesagt.«
    »Also, ich weiß nicht recht...« Mrs. Harris kaut an ihrer Unterlippe. »Wenn ich an deine Schwestern denke...«
    »Sind Sie die Jüngste?«, frage ich Jennifer, und sie nickt. »Das dachte ich mir. Auch ich bin die jüngste von drei Schwestern. Da hat man’s nicht leicht. Dauernd muss man die abgelegten Kleider der älteren auftragen. Schließlich ist man so frustriert, dass man sterben würde, nur um endlich mal was Neues zu bekommen.«
    »Genau!«, ruft Jennifer enthusiastisch.
    »Dieser Wunsch lässt sich mit dem Brautkleid Ihrer Mutter erfüllen. Trotzdem bleibt die Tradition gewahrt. Nur ein paar Änderungen – und Sie bekommen praktisch ein neues Kleid. Das können wir hier machen...«

    »Ja, das will ich!« Jennifer wendet sich zu ihrer Mutter. »Hörst du, was sie sagt? Das will ich.«
    Mrs. Harris’ Blick schweift zwischen dem Brautkleid und ihrer

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