Naschkatze
gefragt?«, erkundigt sie sich in scharfem Ton.
»Ob ich glaube, dass du okay bist. Ja, hab ich gesagt. Ich nehme an, er vermisst dich ebenso wie ich.« Darüber denke ich nach, als ich an einer Kreuzung warte, bis die Ampel auf Grün umspringt. »Wahrscheinlich noch mehr.«
»Dagegen kann ich nichts machen«, faucht sie. »Soll ich
mich etwa um meinen Freund sorgen, während ich jeden Tag, von morgens bis abends, den Opfern häuslicher Gewalt helfe und sichere Quartiere für sie suche? Das gehört zu meinem Problem – jeder Mann bildet sich ein, die ganze Welt würde sich nur um ihn drehen. Und wenn seine Freundin einen Job gefunden hat, der sie ausfüllt – in dem sie sogar brilliert -, fühlt er sich natürlich bedroht. Also wird er sie bald verlassen, wegen einer anderen, die mehr Zeit für ihn hat.«
Damit verblüfft sie mich so sehr, dass ich abrupt stehen bleibe und ein irritierter Typ mich von hinten anrempelt. »Entschuldigung«, murmelt er und eilt weiter.
»Moment mal, Shari«, sage ich ins Handy, »Chaz fühlt sich nicht bedroht. Ganz im Gegenteil, er freut sich, weil dir dein neuer Job so gut gefällt. Er möchte nur wissen, wann er dich mal wieder sehen kann. Und er wird dich sicher nicht verlassen.«
»Klar, das weiß ich...«, erwidert sie zögernd. »Tut mir leid, ich wollte dich nicht damit nerven. Heute bin ich ein bisschen durcheinander. Vergiss, was ich gesagt habe.«
Seufzend schüttle ich den Kopf. »Shari, das klingt nicht so, als wärst du nur ein bisschen durcheinander . Seid ihr zwei, du und Chaz...?«
»Jetzt muss ich aber wirklich Schluss machen, Lizzie«, unterbricht sie mich. »Wir sehen uns Samstag.«
Und dann legt sie auf.
Wow. Was war denn das? Gewiss, Shari und Chaz hatten schon immer eine stürmische Beziehung mit ständigem Gezänk und sogar ernsthaften Streitigkeiten. (Am schlimmsten war der Krach, den Shari mit ihrem Entschluss heraufbeschwor, ihre Laborratte Mr. Jingles zu töten
und zu sezieren, obwohl Chaz ihr einen identischen Ersatz von PetSmart besorgt hatte. Für dieses fremde Tier hatten wir alle keine Gefühle entwickelt, so wie für Mr. Jingles.)
Aber sie versöhnten sich jedes Mal sehr schnell (abgesehen von den zwei Wochen nach Mr. Jingles’ Tod, wo Chaz kein einziges Wort mit seiner Freundin sprach). Meistens war es der fantastische Versöhnungssex, der Shari bewog, wieder Streit zu suchen.
Und was geht jetzt vor? Wendet sie einen ihrer raffinierten Tricks an, um die Beziehung zu beleben?
Denn wie ich gerade selber herausfinde, ist es gar nicht so einfach, die Glut immer wieder anzufachen, wenn man zusammenlebt. Banale alltägliche Dinge dämpfen die Leidenschaft. Zum Beispiel die Fragen: Wer spült das Geschirr? Wer bekommt die TV-Fernbedienung? Wer hat das Ladegerät vom Handy weggenommen, den Föhn damit angeschlossen und dann vergessen, das Handy wieder zu laden?
So etwas ruiniert die Romantik.
Natürlich genieße ich jede einzelne Minute mit Luke. Von dem Augenblick an, wo ich aufwache und das lächelnde Gesicht des Renoir-Mädchens über mir sehe und meinen Liebsten neben mir tief und gleichmäßig atmen höre. (Er schläft immer vor mir ein. Wie er das macht, weiß ich nicht. Sobald sein Kopf das Kissen berührt, versinkt er in Morpheus’ Armen. Vielleicht hängt das mit der langweiligen Lektüre für seine Kurse »Prinzipien der Biologie« und »Allgemeine Chemie« zusammen. Das erledigt er immer, bevor er ins Bett geht, weil er mit seinen Hausaufgaben nicht in Rückstand geraten will.) Jeden Tag danke ich meinem guten Stern für meinen Entschluss, England zu
verlassen und nach Frankreich zu fahren. Sonst hätte ich ihn niemals kennengelernt und wäre jetzt nicht so glücklich (von meinen finanziellen Sorgen mal abgesehen).
Trotzdem verstehe ich, dass Shari ihren Freund ein bisschen herausfordert, um die Beziehung aufzufrischen. Denn ich habe oft genug mit Chaz ferngesehen. Deshalb weiß ich, wie gern er durch die Kanäle zappt, statt bei einem halbwegs interessanten Programm zu bleiben, und dann den Teletext einschaltet, weil er sehen will, was es sonst noch gibt. Das ist genauso ärgerlich wie Lukes Faible für Dokumentarfilme über den Zweiten Weltkrieg. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass er das für ein geeignetes TV-Amüsement am Freitagabend hält.
Aber ich habe keine Zeit, um mir über Shari und Chaz Sorgen zu machen – oder über Lukes Abneigung gegen romantische Comedys. Denn als ich an Monsieurs Tür läute und
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