Naschkatze
begann ich, immer noch bestrebt, Zeit zu schinden. »Uh...« Fabelhaft. Wenn man stottert macht man immer den besten Einsdruck.
Und dann rettete mich – wie üblich – meine Neigung,
einfach drauflos zu plappern. Ausnahmsweise zu meinem Vorteil. »Also, wissen Sie – ein paar Mal bin ich nach Hause gekommen, und da blinkte das rote Lämpchen. Aber als ich auf die Abspieltaste drückte, war nichts auf dem Band. Vielleicht ist das Gerät kaputt oder so was.«
Zu maßlosen Erleichterung nickte Mrs. de Villiers. »Ja, natürlich, das wäre möglich. Es ist schon ziemlich alt. Wahrscheinlich muss ich meine Technophobie überwinden und mich auf eine Voicemail umstellen. Noch was, das ich auf meine Einkaufsliste setzen muss...«
Fantastisch. Jetzt geht Lukes Mom zu einer Voicemail über, weil ich ihr eingeredet habe, ihr funktionsfähiger Anrufbeantworter sei nicht mehr zu gebrauchen.
Aber was hätte ich denn sagen sollen? O ja, Mrs. de Villiers, dieser Mann mit dem ausländischen sexy Akzent hat mehrere Nachrichten hinterlassen. Aber die habe ich alle gelöscht, weil ich annehme, er ist Ihr Liebhaber. Und ich will, dass Sie bei Ihrem Mann bleiben.
Genau. Das hätte ich mich bei Lukes Eltern noch viel beliebter gemacht.
»Was haltet ihr von meinem Wein?«, fragt Raoul seine Freundin und mich und steckt den Kopf in die Durchreiche. Auf seine südländische Art sieht er ganz gut aus. Aber Shari würde ihn nicht als »süßen Jungen« bezeichnen. Immerhin hat er ein nettes Lächeln und massenhaft Haare auf der Brust, die aus seinem Hemdkragen sprießen.
»Wunderbar«, sage ich.
»Oh, ich liebe diesen Wein.« Tiffany kriecht auf die Küchentheke und beugt sich vor, um ihn zu küssen. Beinahe landet ihr Knie in meinem Cranberry-Relish. »Genauso, wie ich mein Raouli-Schatzi-Putzi liebe...«
Während die beiden in ihrer Babysprache quatschen und ich mich beinahe übergeben muss, surrt der Summer.
»Ah!«, höre ich Luke rufen. »Das müssen sie sein.« Und dann läuft er zur Sprechanlage und sagt Carlos, er soll Chaz und Shari heraufschicken.
Endlich. Wird auch höchste Zeit. Mein Truthahn droht zu vertrocknen. Wie lange kann man so ein Geflügel im Backofen warm halten? Noch dazu, wo’s schon mal gekocht wurde – oder was immer mit einem halb garen Truthahn passiert...
Erleichtert inspiziere ich die goldbraune, knusprige Haut, als ich ihn aus dem Herd nehme. Gott sei Dank, er ist nicht verkohlt. So was habe ich nämlich befürchtet. Viel zu lange musste ich ihn »im eigenen Saft« ruhen lassen. Das soll man mit ihm machen. Es steht in der kleinen Broschüre, die ich in der Verpackung gefunden habe. Und Mrs. Erickson – mit ihren siebzig Jahren weiß sie, was ein guter Truthahn ist – hat mir auch dazu geraten.
Es läutet an der Tür, und Luke öffnet sie. »Hallo!«, höre ich ihn fröhlich rufen. »Warum habt ihr so lange... He, wo ist denn Shari?«
»Darüber will ich nicht reden.« Chaz versucht mit leiser Stimme zu sprechen. Trotzdem verstehe ich, was er sagt. »Ah, Mr. und Mrs. Villiers – großartig, dass wir uns wieder mal treffen! Wie gut Sie aussehen...«
Tiffany ist von der Küchentheke gehüpft und neigt ihren sehnigen Körper durch die Tür (sicher trägt sie unter all dem Wildleder einen Spanx-Body, der die Figur formt), um Chaz zu mustern. »Oh«, seufzt sie enttäuscht, »ich dachte, er bringt seine Freundin mit, von der du dauernd redest. Diese Shari. Wo ist sie denn?«
Nun spähe ich auch durch die Küchentür und beobachte Chaz, der Luke zwei Kuchenschachteln überreicht. Die Tür zum Hausflur ist geschlossen. Und Shari nirgendwo zu sehen.
»Hallo!« Lächelnd schlendere ich aus der Küche. »Wo ist denn...?«
Frag nicht danach, formen Lukes Lippen. Dann geht er mit den beiden Schachteln zu mir. »Den ganzen Tag hat Chaz geschuftet, um nicht nur einen, sondern zwei Kuchen zu backen. Erdbeer-Rhabarber und dein Lieblingsdessert, Lizzie – Kürbis. Shari fühlt sich nicht gut. Deshalb konnte sie nicht kommen. Umso mehr bleibt für uns übrig, nicht wahr?«
Hat er den Verstand verloren? Er erzählt mir, meine beste Freundin kann nicht zu Thanksgiving kommen, weil sie sich nicht gut fühlt? Und da erwartet er, dass ich den Mund halte?
»Was fehlt ihr denn?«, will ich von Chaz wissen. Statt zu antworten, steuert er die »Bar« an, die Monsieur de Villiers auf dem antiken Servierwagen seiner Frau arrangiert hat, und gießt sich einen Whiskey ein. Hastig leert er das Glas, bevor er es
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