Naschmarkt
Minuten.«
Damit legt Sorina Loos auf. Grußlos. Ich bin drauf und dran, das iPhone gegen die Wand zu werfen, als mein Blick auf den Computerbildschirm fällt.
Da steht etwas. Tatsächlich. Die leere Seite ist nicht mehr leer.
Mitten auf dem Dokument, wie bewusst plaziert, finden sich fünf Buchstaben und ein Sonderzeichen. Aber nicht etwa so, wie man es erwarten würde, wenn ein verfressener Wohnungskater auf der Suche nach dem bequemsten Schlafplatz über die Tastatur spaziert ist. Nicht »xfgjh,« oder ».jkz 4 r« steht dort, sondern: »+katze«.
Das gibt es ja gar nicht! Er kann schreiben! Bestimmt war er in einem früheren Leben ein berühmter Schriftsteller. Hemingway vielleicht, der hat, soweit ich weiß, unter lauter Katzen gelebt. Ich sehe Neko an. Etwas Großes liegt in der Luft, ein Hauch von Erhabenheit.
»Dicker, warst du Hemingway?«
»Auw«, sagt der Kater.
Ah, ich wusste es! Mein Kater ist ein literarisches Genie. Die Inkarnation eines Bestsellerautors oder Nobelpreisträgers. Mindestens.
»Auw«, wiederholt der Kater lauter, springt vom Fensterbrett und tappt zu seinem zur Hälfte mit ungenießbarem Wildmenü gefüllten Futternapf, von wo aus er mich hungrig ansieht und ein Gesicht macht, das er sich von
Simons Katze
abgeschaut haben muss. Beim Versuch, sich mit der Hinterpfote an der Schulter zu kratzen, scheitert er an seiner Körperfülle und knabbert verlegen an seiner weißen Schwanzspitze.
Vielleicht auch nicht. Nobelpreisträger sehen anders aus. Vielleicht verliere ich nur vor lauter Schreibblockade und Deadline-Panik bereits den Verstand.
Sechsundfünfzig Minuten.
Ich bin kurz davor, in Tränen auszubrechen. Wenn ich es nicht schaffe, mir jetzt sofort etwas aus den Fingern zu saugen, bin ich morgen meinen Job los.
Aber was? Der Themenbereich Dating, Flirt und Beziehung gehört nicht zu meinen Spezialgebieten. Seit ich vor drei Jahren beschlossen habe, nicht mehr zu daten, schlafe ich nachts wie ein Säugling. Ohne hormonelle Schwankungen und Pillennebenwirkungen habe ich eine babyzarte Haut, eine perfekte Taille, ein tägliches Lesepensum von dreihundert Seiten, herrlich flexible Freizeitgestaltung und weine höchstens beim Zwiebelschneiden oder bei traurigen Geschichten.
Nichts als Friede, Freude, Katzenkuchen, tagein, tagaus. Welchen Grund hätte ich, an diesem ausgeglichenen Zustand etwas zu ändern? Der tägliche Liebeskrieg kann mir gestohlen bleiben.
Vierundfünfzig Minuten.
Verdammt, die Zeit rennt. Also von vorne. Was ist ein Single? Was ist das überhaupt für ein Begriff? Die Einzahl eines möglichen Plurals, die einem zu verstehen gibt, dass man an einer Mangelerscheinung leidet. Zwei weniger eins ist eins. Eine einfache Rechnung. Ich für meinen Teil sage lieber eins plus null ist eins. Oder eins plus Kater ist eins und ein Kater.
»Auwauw!«
Apropos. Ich sollte das Wild entsorgen und ihn füttern. Wenn er hungrig ist, neigt er nämlich dazu, sehr laut zu werden, und dann kann ich mich überhaupt nicht mehr auf die blöde Kolumne konz…
Es macht Pling. Keineswegs das Posteingangs-Pling oder das Falsche-Taste-Pling, auch kein Eieruhr-Pling, sondern eher ein innerliches Pling von der Sorte, wie man sie nur ganz selten hat. Der jammernde Kater, der Text auf dem Bildschirm sowie meine Beziehungslosigkeit ergeben plötzlich Sinn. Die Idee ist da, und ohne weiter nachzudenken, hämmere ich in die Tasten. Als ich schließlich nach einundfünfzig schweißtreibenden Minuten im E-Mail-Programm auf »Senden« klicke, bin ich zum ersten Mal seit zwei Tagen wieder zufrieden mit mir. Ich lese den Text noch einmal durch und klappe anschließend lächelnd den Laptop zu. Der Kater bekommt eine doppelte Portion, frisst sie vollständig auf und blinzelt mir glücklich zu.
Das Katzenfutterorakel sagt große Erfolge voraus.
Happy_End.com?
von Dotti Wilcek
Es ist so ähnlich wie mit Harry Potter, Johnny Depp oder Schokoparfait. Man kann einfach nicht dagegen sein, außer man ist,
Ihr wisst schon wer,
das Oscarkomitee oder Diabetiker. Mit dem Dating ist es genauso. Alle tun es.
Seit Jahrhunderten fürchten sich Alleinstehende vor Einladungen mit dem verhassten Zusatz »mit Begleitung«. Das Diktat einer Gesellschaft, die die Einzahl automatisch als halbe Sache empfindet.
Die richtige Kupplungstechnik ist daher nicht erst seit Erfindung des Automobils gefragt. Heutzutage verliebt man sich allerdings wissenschaftlich korrekt mit Hilfe einer Datenbank, die aus
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