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Naschmarkt

Naschmarkt

Titel: Naschmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Koschka
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klopfen, und ich drängte die Erinnerung mit aller Gewalt zurück.
    Geraldo Kuhfladenknoblauchshrimp bezahlte anstandslos die Rechnung, und wir spazierten zur Staatsoper, wo wir eine geschlagene Stunde in der Schlange vor der Stehplatzkasse anstanden. Meine Füße in den Granny-Smith-Pumps taten höllisch weh, ich fror in meinem schicken Rock und verfluchte Ritas grandiosen Kleidergeschmack. Einziger Vorteil war, dass sich an der frischen Luft der Atem meines Begleiters in Wölkchen verwandelte, sichtbar, aber wenigstens schnell verdunstend. Als wir endlich unsere Plätze im Opernhaus einnahmen, am denkbar weitesten von der Bühne entfernt (da ist die Akustik am besten, erklärte mir Geraldo), lernte ich seine Clique kennen: Michele Salamizwiebel, Nino Kompostsauermilch und Andrea Dönerschimmelkäse. Ich weiß nicht, ob die Eigenschaften Opernfan und Atemtroll in irgendeinem ursächlichen Zusammenhang stehen, aber die Luft dort oben auf der Galerie war definitiv dünn und muffig.
    Dünn und muffig, das konnte man von der Primadonna nicht behaupten. Kaum hob sich der Vorhang, sah man eine unförmige Frau im Puffärmelchennegligé auf ein Bett drapiert. Sobald sie den Mund aufmachte und die ersten Töne produzierte, ging ein kollektiver Seufzer durch die Stehplatzreihe. Das war zu viel Geruchsbelästigung für mich. Mit einem gemurmelten »Ich muss mal … wohin« verließ ich fluchtartig meinen Platz und stürmte ins Foyer, um tief Luft zu holen. Eine Minute später stand Geraldo neben mir, eine steile Falte zwischen den Augenbrauen, und deutete energisch Richtung Zuschauerraum.
    »Du verpasst ja alles. Der erste Akt ist das Beste im
Rosenkavalier.
Die berühmtesten Sätze der Marschallin kommen gleich.
Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding.
«
    Du
bist ein sonderbares Ding, dachte ich, mittlerweile extrem frustriert von meinem Blind-Date-Debüt. Ich riss mich jedoch zusammen und erklärte Geraldo: »Ich hab zu viel Tee getrunken, ich muss mal aufs Klo, bin gleich zurück.« Die Falte vertiefte sich, doch er war ganz Gentleman und wies mir den Weg zu den Ladys.
    »Die Damentoilette ist dort drüben. Ich warte hier auf dich.«
    Schweiß brach mir aus allen Poren. Wie konnte man den wieder loswerden?
    »Nicht nötig. Ich will ja nicht, dass du deine Arie verpasst.« Ich deutete auf meine
Beads
-Uhr. »Die Zeit ist ein sonderbar Ding.«
    Er sah mich irritiert an. Humor zählte offenbar auch nicht zu seinen Stärken. Vermutlich musste man in Puffärmelchen ein hohes C singen können, um ihm eine enthusiastische Reaktion zu entlocken. Ich nickte ihm zu und bog um die Ecke Richtung Klo.
    Zuerst sah ich keine Möglichkeit, aus der Oper zu fliehen, ohne an ihm vorbeizugehen, entdeckte dann aber eine Tür neben der Toilette. Von dort führte eine Treppe abwärts, was für ein Glück. Leider war nach zwei Stockwerken Endstation. Eine Reihe nebeneinanderliegender Türen verriet mir, dass ich mich bei den Logen befand. Viel Zeit, mir das weitere Vorgehen zu überlegen, hatte ich nicht, denn von oben hörte ich Geraldos Stimme:
    »Dotti? Hast du dich verlaufen?«
    Mir blieb nur eine einzige Möglichkeit, und so streckte ich die Hand nach der Klinke der erstbesten Loge aus.
     
    Was sich als schwer bis unmöglich herausstellt, ist der Versuch, in einem engen Granny-Smith-grünen Kostüm unauffällig in die vorderste Logenreihe zu schlüpfen, während das Geschehen auf der Bühne dramatische Formen annimmt. Ich vermute, das Geseufze der Frau in Männerkleidern ist von weltgeschichtlicher Bedeutung, denn die Insassen der Opernloge murren lautstark, als ich mich durch die engstehenden Stühle zwänge. Dabei knicke ich auf den viel zu hohen Absätzen um und lande beinahe auf dem Schoß eines älteren, nach Lavendel müffelnden Herren. Ich flüstere Entschuldigungen, was zu noch mehr Aufregung führt, und als ich endlich sitze, sind sechs bitterböse Augenpaare auf mich gerichtet.
    Zum Glück kommt es genau in dem Moment zu einem Bühnenkuss zwischen den beiden Sängerinnen, so dass sich die allgemeine Aufmerksamkeit wieder dorthin verlagert. Für mich die Gelegenheit, tief durchzuatmen. Hier wird er mich wohl nicht finden, und sobald die Menschenmenge in der Pause ausschwärmt, kann ich – so unauffällig das in Granny Smith eben geht – die Flucht aus dem Opernhaus in Angriff nehmen. Und danach nie mehr daten, das schwöre ich!
    »Und das soll ich dir glauben? Hältst du mich für blöd, oder was?«
    Ich erstarre. Die

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