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Naschmarkt

Naschmarkt

Titel: Naschmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Koschka
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mutieren sie zu Superman und Prince Charming.
    Die Frage lautet deshalb: Sind wir Frauen oberflächlich, weil wir die Anfragen der einsamen Helden des Cyberspace unbeantwortet lassen? Messen wir dem optischen Erscheinungsbild unseres Ritters zu viel Bedeutung zu und sind darum blind für die inneren Kostbarkeiten, die er zu bieten hat? Dazu wäre zu klären, ob einer von ihnen uns bei YouPorn anklicken würde, wenn wir nicht aussehen wie Barbiepuppen auf Ecstasy.
    (follow @dottiliest bei Twitter)

Sonntag, 16 . Oktober
    Ich prüfe den Text ein letztes Mal, klicke auf »Post veröffentlichen«, klappe das Notebook zu, lege mich bäuchlings auf die Couch und schließe meine Augen. Das tut gut! Die Nachwirkungen meines gestrigen Opernabends stecken mir nämlich noch in sämtlichen Körperteilen. Meine Pupillen brennen höllisch von den ungewohnten und zum Glück für immer verlorenen Kontaktlinsen, meine Füße sind mit cranberryroten Blasen übersät, und mein Hintern schmerzt da, wo ich beim Sturz gelandet bin. Außerdem habe ich schlecht geschlafen, weil in wüsten Alpträumen alte Männer in lavendelfarbenen Nachthemden mit hohen Sopranstimmen und grottigem Atem über mich hergefallen sind, während Sorina Loos, in einen Männerfrack gekleidet, mit mir gemeinsam zum Traualtar schritt und dabei wie eine Katze miaute.
    »Auw!«
    Nicht schon wieder.
    »Auwauw!«
    Ich will nicht! Ich bin weder gefragt worden noch einverstanden, diese Frau – also ich meine diesen Mann – zu ehelichen. Das ist Nötigung unter besonders grausamen Umständen! Angstschweiß durchweicht mein Brautkleid. Die Loos schnurrt, packt mich am Arm, zieht mich zu sich und leckt meine Nasenspitze ab. Nicht! Aufhören! Hilfe!
    Ich schlage wild um mich und erwische dabei den Kater, der in hohem Bogen von der Couch fliegt.
    »Auwuuu«, jault er anklagend.
    Ich stöhne. Ich brauche dringend etwas traumlosen Schlaf, sonst werde ich noch verrückt. Vorsichtig, um meinen Hintern zu schonen, rapple ich mich auf alle viere hoch. In dieser Position verharre ich kurz. Neko, für den das offenbar eine Aufforderung ist, nähert sich misstrauisch, bleibt mit angelegten Ohren neben der Couch hocken, sieht mir tief in die Augen und furzt. Mein Kater furzt immer, wenn er Hunger hat. Das ist wahrscheinlich eine chemische Reaktion oder seine Methode, einem »Auw« mehr Nachdruck zu verleihen. So wie unsereins die Stimme hebt, lauter wird und den passenden Gesichtsausdruck aufsetzt. Ich habe mich daran gewöhnt, und es ist immerhin besser als Kuhfladenknoblauchshrimps.
    »Schon gut«, seufze ich, stehe von der Couch auf und hinke auf meinen schmerzenden Füßen zum Katzenfutterschrank.
    Ja, ich habe einen Katzenfutterschrank. Er ist nicht ganz so groß wie mein Kühlschrank, dennoch etwa brusthoch, besteht aus Mahagoni und beherbergt eine Hotelminibar. Eine Kundin meiner Mutter ist die Geschäftsführerin einer stattlichen Hotelkette und hat uns eine ausgemusterte Minibar samt Einbauschrank überlassen. Der Grund für die Anschaffung, hat mir Lady Lydia erklärt, ist der, dass die Temperatur handelsüblicher Kühlschränke zu niedrig ist, um Katzenfutter dort aufzubewahren. Zu kaltes Futter ist erstens nicht gut für die sensible Verdauung und wird zweitens auch nicht gefressen. Steht es wiederum zu lange bei Zimmertemperatur herum und trocknet an, wird es erst recht nicht gefressen. Daher hat Tiernahrung stets richtig temperiert zu sein, kühl genug, dass sie frisch bleibt, aber nicht zu eisig. Besonders Lady Lydias spezieller Katzenkuchen, der einer Kidney Pie ähnelt und zum Großteil aus frischem Putentatar besteht, bedarf der korrekten Aufbewahrung. Leider ist er alle, weshalb ich die Qual der Wahl zwischen etwa fünfunddreißig verschiedenen Katzenfuttersorten habe.
    Die Nahrungsaufnahme meines Katers ist ebenso kompliziert wie seine Persönlichkeit. Es gibt Tage, da schlingt er eine Sorte runter, die er konsequent zwei Monate lang verweigert hat, und andere, an denen er selbst Lady Lydias Enkelkaterkuchen verschmäht. In den ersten verzweifelten Wochen habe ich das Katzenfutterorakel erfunden, das inzwischen präziser funktioniert als die Wettervorhersage.
     
    Schüssel leer: Der Tag wird gut.
    Schüssel voll: Sei auf der Hut!
    Angepatzt heißt: Du kommst weiter.
    Ausgepatzt heißt: Es wird heiter.
    Ist der Napf jedoch halb leer,
    hilft dir wirklich gar nichts mehr.
     
    Jeden Morgen spielt sich in meiner Wohnung dasselbe Ritual ab. Der Kater meldet, dass er

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