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Naschmarkt

Naschmarkt

Titel: Naschmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Koschka
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Frauenstimme, die etwas gedämpft, aber deutlich genug an mein Ohr dringt, löst spontane Hassgefühle aus. Ein schrecklich bekannter Tonfall, an der Grenze zur Hysterie. Ich beuge mich ein wenig vor. Tatsächlich. In der Loge nebenan, nur eine dünne halbhohe Wand von mir getrennt, identifiziere ich den vertrauten schwarzen Haarschopf. Sorina Loos. Aber das ist noch nicht alles. Sorina Loos in männlicher Begleitung. Ich kann ihn im Dunkel der Loge lediglich schemenhaft erkennen, doch seine Antwort verstehe ich gut genug, obwohl er sich bemüht, leise zu sprechen.
    »Ich sagte, es geht nicht!«
    Österreicher, nicht jung, nicht alt. Der Tonfall ist scharf und eindringlich. Kein Zweifel, irgendetwas ist hier im Busch. Vielleicht hat der unbekannte Mann mit ihrer völlig übertriebenen Reaktion und dem Heulkrampf letztens zu tun? Offensichtlich will die Loos etwas von dem Typen, doch der Deal scheint zu platzen.
    Augenblicklich gewinnt meine Neugier die Oberhand, und alle Kuhfladenknoblauchshrimps dieser Welt sind vergessen. Ich lehne mich noch ein Stück weiter vor und spähe in die Nachbarloge. Sorina Loos und ihr Gegenüber sind einander zugewandt und bemerken mich nicht. Was auch immer da läuft, es ist in vollem Gange.
    Die Dame neben mir räuspert sich vernehmlich, und der Mottenschutzduft-Senior tippt mich von hinten an. Ich setze mich wieder aufrecht hin, schmiege mich aber näher an die Trennwand, um dem Gespräch folgen zu können.
    »Warum?«, zischt die Loos gerade. »
Warum
geht das nicht?«
    Er seufzt.
    »Wegen
Ali Baba.
«
    Ali Baba?
Ohne Zweifel ein Codewort! Mein Kopfkino spielt erneut seine eigene Oper. Und die hat nichts mehr mit Datingscharmützeln zu tun. Vielleicht lässt sich etwas davon gegen meine neue Chefin verwenden?
    Ich denke angestrengt darüber nach, ob es in letzter Zeit kulturpolitische Einflüsse aus der arabischen Welt gegeben hat. Vielleicht ist der Mann eine Art internationaler Kulturlobbyist? Die Loos versorgt ihn mit Informationen zur Crème de la Crème der österreichischen Kulturszene. Ein superreicher Scheich als Mäzen? Vielleicht ein großes Bollywood-Projekt oder die Wahl des nächsten Literaturnobelpreisträgers? Es geht ganz sicher um Ideenklau oder Fördergelder, und ich male mir aus, wie im Europäischen Gerichtshof Tumulte ausbrechen, während sich die Bundesregierung gigantisch zerstreitet.
    »Ali
wer?
«
    Offensichtlich tappt die Loos genauso im Dunkeln wie ich. Es könnte sich um eine Verschwörung handeln. Die nächsten Worte scheint er ihr ins Ohr zu flüstern, denn ich verstehe nur Bruchstücke.
    »Du … schon. Sesam … die … Räuber.«
    Ich runzle die Stirn. Die Loos und ihr Geschäftspartner sind per du, und es geht um Samen? Gestohlene Samen? Gewürzdiebstahl?
    »Das ist dir also wichtiger?«
    Sorina Loos klingt weinerlich. Die Männerstimme redet tröstend auf sie ein.
    »Bitte, Sori, ich mach es wieder gut. Die Kinder haben nur einmal im Jahr Schulaufführung. Wir holen das nach. Versprochen!«
    In dem Moment legt der Unbekannte seine Hand auf die Balustrade der Loge. Ich sehe den goldenen Ring an seinem Ringfinger, und als Folge der plötzlichen Erkenntnis entfährt mir ein lautes »Ha!« mitten in eine dramatische musikalische Pause hinein. Die Dame neben mir springt empört auf, Mister Lavendel reißt die Logentür auf und schreit lauthals nach den Billeteuren.
    Jetzt nichts wie weg. So schnell das auf zehn Zentimeter hohen Absätzen möglich ist, dränge ich mich an dem alten Mann vorbei, husche aus der Loge und flüchte ins Foyer, auf der Suche nach dem Weg hinaus. Nur weg, ehe die Loos mitkriegt, wer hier gerade ihr Techtelmechtel mit angehört hat. Oder Ritter Kuhfladenknoblauchshrimp meine Fährte aufnimmt. Ich haste den Gang entlang, einen Stock tiefer, durch die Tür und endlich zur Feststiege.
    Was mir zum Verhängnis wird, ist eine unglückliche Kombination allzu neuer Schuhsohlen auf einem allzu abgetretenen grünen Teppichläufer, der die Marmorstufen in die Eingangshalle hinab bedeckt. Ich rutsche aus, stolpere und lande sehr unsanft auf meinem Hintern, während ein Haufen Silber der Erdanziehungskraft noch stärker nachgibt und sich auf den Stufen verteilt. Verdammt! So schnell ich kann, sammle ich die diversen Schmuckstücke ein und stopfe alles in meine Handtasche.
    Mein Gesichtskreis ist plötzlich irgendwie unscharf, aufgeweicht.
    »Alles in Ordnung?«
    Ein Paar Männerbeine schiebt sich in mein verschwommenes Sichtfeld.
    »Die

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