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Naschmarkt

Naschmarkt

Titel: Naschmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Koschka
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erschauderte vor Schmerz und Lust, meine Beine schlangen sich wie hungrige Kobras um seine Hüfte. Sie zwangen ihn dazu, noch tiefer in den glühenden Vulkan einzudringen, bis heiße Lava …«
     
    »Eine Anspielung auf die isländische Naturkatastrophe«, höre ich Lady Lydia halblaut sagen. Einige der anwesenden älteren Damen nicken zustimmend und lauschen mit roten Wangen weiter den adjektivreichen Beschreibungen von Stella, die dankenswerterweise bereit gewesen war, für den
Afternoon Tea
einzuspringen. Sie liest Auszüge aus ihrem Erotikroman
Vesuvia,
den sie vor über zehn Jahren als
Stella Samt
geschrieben hat, ehe sie als
Lust-und-Liebe
-Redakteurin beim
Boten
anfing. Es war ein Kultbuch der späten Neunziger. Da Stella ein großer Fan des
Pies & Pages
ist, war es nicht schwer, sie zu überreden, kurzfristig aus ihrem Werk zu lesen. Im Gegensatz zu Liebesschnulzen, die in Cornwall spielen, mag ich gute Erotik, die sich nicht allzu ernst nimmt. Und ich liebe Stellas Humor.
    »Dotti,
kardia mou
«, hat sie einmal zu mir gesagt, die griechische Koseform weich, rund und zärtlich wie sie selbst, »in Griechenland hat man entweder Geld oder Humor. Frag meine Oma. Mein Opa hatte beides, aber er hat mir nur eines vererbt. Sein Geld hat er mitgenommen, als er in den Achtzigern mit dieser minderjährigen Berliner Punkgöre abgehauen ist, der Mistkerl. Den Humor hat er mir gelassen. Und der ist das Beste, was ich habe.«
    Heimlich war ich seit jeher neidisch auf Stellas Aussehen. Sie wirkt kein bisschen wie eine Frau von Anfang vierzig, denn sie ist eine jener molligen Diven, die ihre breiten Hüften und ihren wogenden Busen geschickt in Szene zu setzen wissen. Dazu die dunkle Lockenmähne und der große Mund, der fast immer herzlich lächelt. Sie lacht oft, laut und dröhnend, nicht selten über sich selbst. Es ist dieser natürliche Zauber, den ich im Stillen bewundere. Als könnte sie meine Gedanken lesen, sieht sie mich just in dem Moment an. In ihren schwarzen Augen blitzt es, während sie die versammelte Zuhörerschaft mustert und mit abwechselnd tiefer Alt- und hoher Sopranstimme den Dialog liest.
     
    »Wer bist du?«, stöhnte er.
    »In deiner Sprache nennt man mich Vesuvia. Die alles verschlingende Feuergrube.«
    Ich bohrte meine Fingernägel in seine muskulösen Oberarme. Er zitterte vor Schmerz und Anstrengung. Seine Hüfte zuckte von meiner fort, doch die Lava brannte bereits an seinen Schenkeln.
    »Was …« Er schrie, als ich mich noch fester an ihn presste, »was hast du mit mir vor, Göttin?«
    »Ich werde dich töten. Dein Volk hat uns Feuerwächterinnen lange genug ausgebeutet. Ich räche meine Mutter, die von den Kriegern deines Vaters verschleppt wurde, am Tag der großen Finsternis.«
    Seine vollen, roten Lippen waren leicht geöffnet, und in seinen hellen Augen erkannte ich den Stolz der Eroberer aus der Kälte. Mit einem wilden Schrei drang er noch tiefer in mich ein, erwiderte meinen Blick und flüsterte:
    »Dann lass mich lieben, bevor ich sterbe.«
     
    Lächelnd klappt Stella das Buch zu, erhebt sich vom Sofa und verneigt sich.
    Ich schicke mich gerade an, den Applaus anzustoßen – einer muss immer den Anfang machen –, als eine der alten Damen ganz vorne aufsteht und begeistert in die Hände klatscht. Frenetischer Jubel bricht aus. Als hätte Andy Borg die Chorleitung der
Silver Haired Ladies
im Altenheim übernommen und Dieter Bohlen sie zum Supertalent gekürt. »So viel Gefummle« heult ein imaginierter Bruce Darnell in meinem Kopf. Miki, die damit beschäftigt ist, Teekannen durch die Gegend zu balancieren, hat den Mund zu einem erstaunten »o« geöffnet, und Lady Lydia, einigermaßen irritiert, blickt verunsichert von einer Kundin zur anderen. Erst als sie merkt, dass es sich nicht um einen Scherz handelt, stimmt sie in den Applaus ein und gibt der Kellnerin ein Zeichen, sich um die Organisation der Signierstunde zu kümmern. Die enthusiastischen Zuhörerinnen, von denen keine unter sechzig ist, drängen sich um das Lesetischchen und reißen Stella die wenigen
Vesuvia
-Exemplare, die sie mitgebracht hat, förmlich aus der Hand. Lächelnd signiert die Griechin und wird sofort von Frau Stipsits in Beschlag genommen, einer eleganten Dame von Mitte siebzig, die selbst schreibt, hauptsächlich blutige Kurzthriller.
    Schon immer hat das
Lady’s Pies & Pages
auf den literarischen Teil der Wiener Bevölkerung eine magische Anziehungskraft ausgeübt. Täglich sieht man sie hier ein

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