Nasenduscher: Roman (German Edition)
Flugroute unterrichten.
Hatschi!
Diese verdammten Katzenhaare. Aber dennoch: Dank einer Beruhigungstablette sind sowohl Romeo wie auch ich relativ entspannt. Kein rolliges Schreien oder panisches Kratzen. Nichts. Und ich rede immer noch von uns beiden. Obwohl ich auf Romeos Anwesenheit natürlich mit Niesen und Schnäuzen reagiere. Dagegen reicht mir eine der ebenso attraktiven wie fürsorglichen Flugbegleiterinnen in regelmäßigen Abständen ein feuchtes Tuch, das ich mir auf meine stets geschwollenen Augen lege. Der Flug selbst verläuft wie die meisten meiner Flüge: Ich kann nicht schlafen. Stattdessen nerve ich meine Mitreisenden mit zyklischen Niesattacken. Wenigstens schützt mich mein Behindertenstatus vor allzu schlimmen Anfeindungen.
Hatschi!
Nach zwei Stunden Flugzeit, einem von mir in größtmöglicher Blindheit geschauten Film mit Jessica Alba in erotischer Höchstform sowie einer daraus resultierenden schmerzhaften Dauererektion kommt der für mich kritischste Punkt auf jedem Flug: die Essensausgabe. Allein wenn ich den Wagen mit den Chicken-Beef-Speisen nur rieche, wird mir so übel, dass ich nichts mehr runterbekomme. Da ich aber für die nächsten zehn Stunden unbedingt etwas zu mir nehmen muss, bestelle ich einen kleinen Bio-Sprossensalat und Kamillentee.
»So, bitte sehr, der Herr. Ihr Kamillentee«, sagt die Flugbegleiterin, und ich bemerke, dass sie eine gewisse Ähnlichkeit mit Jessica Alba hat. »Vorsichtig, er ist sehr heiß. Ich reiche Ihnen die Tasse an.«
»Danke«, antworte ich und treibe meine Blindenrolle beinahe bis zur Perfektion, indem ich mit Absicht zunächst knapp neben die mir gereichte Tasse greife. Dabei schaue ich am Gesicht der netten Flugbegleiterin vorbei und fixiere den knackigen Po von Deutschlands Antwort auf Jessica Alba. Auch hier zeigen sich erstaunlich beeindruckende Parallelen. Frau Alba, die sich auf ihrem Namensschild als Judith Möllmann herausstellt, drückt mir währenddessen das Heißgetränk in die Hand.
Und wie sie das tut.
Wie ein Black-Angus-Rind auf den endlosen Weiten Texas bekomme ich meine glühende Marke tief ins Fleisch gebrannt. Durch die plötzlich auftretende Hitzeentwicklung in meiner Handfläche zucke ich vor Schmerz zurück.
»Au.«
Ich lasse den Becher fallen, und der Tee ergießt sich umgehend über meine Jeans und die darunter empfindlich angeschwollenen Körperteile. Und das ist noch schmerzhafter.
»Au!«
»O Gott, entschuldigen Sie.« Die junge Jessica-Alba-Imitation tritt einen Schritt zurück und winkt hektisch nach ihren Kolleginnen. Sofort eilen zwei weitere Flugbegleiterinnen mit Servietten und Tüchern herbei, um mir zu helfen. Auch die Fluggäste in den beiden Reihen hinter mir sind geschlossen aufgesprungen, um zu sehen, was denn dem blinden Mann passiert ist. Na toll, unauffälliger geht es ja kaum noch. Ein großzügiger dunkler Fleck in den Umrissen Spaniens zeichnet sich derweil in meinem Schritt ab, und sechs manikürte Frauenhände wollen ihn trocken reiben. Die drei Stewardessen haben bereits vor mir Stellung bezogen und mir einen Stoß Servietten auf den Oberschenkel gelegt. Alles geht so schnell, dass ich kaum mitkomme. Noch während ich meine Gedanken sortiere, nähern sich sechs Hände meinem feuchten Schoß.
Heißer Tee, denke ich.
Verbrüht.
Schmerz.
Resterektion.
Sechs Hände.
Ein Jessica-Alba-Double in Lufthansa-Uniform.
Servietten.
Rubbeln im Schritt.
Erhöhte Durchblutung von Schwellkörpern im Leistenbereich.
»Stopp!«, rufe ich hastig aus und halte dazu meine beiden Hände schützend über meine Brühwurst, als stünde ich in der Abwehrmauer eines Freistoßes von Basti Schweinsteiger. »Ich, äh … ich erledige das selbst.«
»Aber geht das denn?«, fragt Frau Möllmann. »Sie sind doch … also, ich meine ja nur … wir helfen Ihnen gerne.«
Kurz überlege ich noch, ob ich nach dem Start vielleicht eingeschlafen bin und das Ganze nur ein feuchter erotischer Traum ist. Das Szenario, dass drei hübsche Stewardessen mir anbieten, in meinem Schritt zu reiben, kenne ich nicht mal aus der Erwachsenenabteilung meiner Videothek.
»Nein, nicht nötig. Mir passiert das öfter«, lüge ich. »Es ist alles gut. Ich möchte das gerne ohne Ihre Hilfe erledigen.«
Und auch das ist eine Lüge.
»Wenn Sie meinen.« Die Damen scheinen genauso enttäuscht wie ich und wie der fettleibige Herr am Gangplatz eine Reihe hinter uns. »Dann lege ich Ihnen die Servietten auf den Klapptisch vor Ihnen,
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