Nasenduscher: Roman (German Edition)
sein.
Als Nächstes steht ein Sicherheitscheck an. Doch gerade als ich mich durch den Scanner bewegen will, baut sich wie aus dem Nichts ein uniformierter Beamter in bedrohlicher Pose vor mir auf. Sein eisiger Blick wirkt so entwaffnend, dass ein Scanner unnötig scheint. Er hat mich mit geschultem Auge aus all den anderen Passagieren herausgefiltert.
Einfach weitergehen, Robert. Als ob du ihn nicht gesehen hättest, rede ich mir selbst Mut zu und erkenne, wie bescheuert gerade dieser Vergleich als Blinder ist.
»Entschuldigen Sie …« Der Beamte tippt mir auf die Schulter. Langsam drehe ich mich zu ihm um und schaue absichtlich einige Zentimeter an seinem Kopf vorbei, um meine Tarnung aufrecht zu halten.
»Ja? Bitte?«
»Wenn Sie bitte mal rechts aus der Reihe heraustreten würden.«
Verdammt. Hatte Peer doch recht? War ich zu naiv? Sollte meine Reise schon hier enden?
»Komm, Romeo.« Ich ziehe an der Leine und beiße mir sogleich auf die Unterlippe. Denn nicht ich darf sagen, wo es langgeht, sondern Romeo. Zumindest muss ich so tun als ob. Schweigend folge ich dem Beamten einige Meter in ein kleines Büro und reiche ihm dort meine Reiseunterlagen.
Hatschi! Der Beamte niest und schnieft dazu.
»Sie müssen entschuldigen, ich habe Heuschnupfen. Ist im Moment wieder ganz schlimm.«
»Kein Problem.«
»Sie fliegen nach Miami?«
Kurz überlege ich, ob dies schon eine Fangfrage sein könnte, finde aber keinen Anhaltspunkt dafür, weshalb Blinde nicht nach Florida fliegen sollten, und antworte wahrheitsgetreu und so blind wie möglich. Was in diesem Fall bedeutet, dass ich ihm während meiner Antwort die ganze Zeit über auf die Brust starre.
»Ja, nach Miami. Und von dort aus mit einem Schiff weiter durch die Karibik und Mittelamerika. Ich liebe das Rauschen der Wellen, wissen Sie?«
Er klappt meine Reiseunterlagen zu und legt sie zwischen uns auf die verkratzte Tischplatte. Ich bin mir sicher, dass dies ein Test ist. Könnte ich sehen, würde ich sogleich danach greifen und sie wieder einstecken. Also bleibe ich einfach stumm am Schreibtisch sitzen und warte auf die nächste Ansage.
»Aber Sie wissen doch sicherlich, dass das so nicht funktioniert …«
Okay, er hat mich.
Was hat mich verraten?
Mein Gang?
Romeo?
Leugnen nutzt nun jedenfalls auch nichts mehr. Das würde mich nur noch tiefer in die Sache reinreiten. Ich sacke in meinem Stuhl zusammen und seufze.
»Ja, ich weiß, aber ich dachte … na ja, ich dachte, ich probiere es einfach mal.«
»Das verstehe ich. Aber trotzdem kann ich das nicht zulassen.«
»Natürlich nicht. Ich verstehe schon.«
Peer hatte mich gewarnt, dass ich Ärger bekommen würde. Ängstlich frage ich nach dem weiteren Vorgehen. »Und jetzt? Wie verfahren wir weiter?«
»Nun, ich übergebe Sie an die Kollegen. Also, kommen Sie einfach mit.«
Der Beamte nimmt auf einer Art Golfwagen Platz, der mich sicher auf die Flughafenwache bringen wird. Romeo setzt sich in den Fußraum vor mir, und der Beamte funkt einen Kollegen an. Ich versteh nur die Worte: »Ich bringe ihn nun zu euch, bereitet alles vor.« Dann fahren wir los. Etwa fünf Minuten vergehen, bis wir vor zwei weiteren Kollegen stoppen, die bereits auf uns gewartet haben.
»Herr Süßemilch, das ist Herr Meyer und Frau Pohlers. Die beiden werden Sie nun rüberbringen.«
»Rüber?«
»Ja. Rüber zum Terminal zwei. Sie wissen doch, dass die ganzen Rolltreppen und insbesondere die Sky-Bahn für blinde Passagiere ungeeignet sind. Die Kollegen des Bundesgrenzschutzes werden Sie deshalb mit einem Shuttle direkt bis zum Gate bringen.«
Zunächst verstehe ich nicht ganz. Erst dann wird mir klar, dass ich hier nicht abgeführt, sondern überführt werde. Und zwar via Shuttle zum Terminal zwei, von dem aus mein Flug starten wird. Special Service für blinde Reisende. Erleichtert fixiere ich wieder die Brust des netten Beamten.
»Okay, vielen Dank. Und entschuldigen Sie nochmals, dass ich Ihnen diese Umstände bereitet habe.«
»Kein Problem, aber sagen Sie demnächst vorher am Check-in-Schalter Bescheid, dann sparen Sie sich den Weg durch den normalen Security-Check und uns ein wenig Arbeit. Guten Flug, Herr Süßemilch.«
»Danke. Den werde ich nun sicherlich haben.«
Nach dem persönlichen Sicherheitscheck werden Romeo und ich mit dem Elektrowagen direkt zum Gate chauffiert. Dort soll mich eine weitere Mitarbeiterin in Empfang nehmen und noch vor allen anderen Passagieren in den Flieger bringen. Am überfüllten
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