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Nasenduscher: Roman (German Edition)

Nasenduscher: Roman (German Edition)

Titel: Nasenduscher: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
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warte ich anschließend sogar noch eine geschlagene halbe Stunde, bis die anderen Passagiere meines Fliegers endlich die Einreiseformalitäten erledigt haben und langsam am Schalter der Reederei eintrudeln. Von dort soll uns ein Shuttlebus zum Hafen bringen. So erfahre ich auch, wer alles aus dem Flieger mit von der Partie ist, nämlich fast alle: die viel zu laute Amigruppe, das androgyne Asiapaar, das nach der Landung am Kofferband erneut lächelnd nach Orientierung suchte, und auch meine niederländische Familie. Außerdem ignoriert sich seit der Landung ein deutsches Ehepaar neben dem Kofferband mit erstaunlicher Beharrlichkeit. Ja, auch nonverbale Kommunikation kann für nebenstehende Personen zu laut sein. Ohne ein einziges Wort zu wechseln, keifen und streiten sich die beiden aufs Übelste. Ich bin mir sicher, dass sie sich gerade die schlimmsten Schimpfwörter an den Kopf werfen, wenn man nur den LAUTER -Knopf finden würde. So verletzend können sich nur deutsche Ehepaare ignorieren. Als das Signal zum Aufbruch erfolgt, schiebt sich die Gruppe gemeinschaftlich zum Ausgang. Schon kommt ein Flughafenmitarbeiter auf mich zu und kümmert sich aufopferungsvoll um meine Koffer und um Romeo. Hier scheint niemand wirklich davon überrascht, dass ein Blinder mit seinem Kater als Führhundersatz durch den Flughafen spaziert. Sind es in Frankfurt Goethe und Heinz Schenk, ist man in Miami wohl durch die vielen Hollywoodstars anderes gewohnt. Dennoch erleichtere ich mein schlechtes Gewissen mit einem üppigen Trinkgeld, was den Kofferträger dazu verleitet, mir die Koffer auch noch in den Bus zu wuchten. Ich stolpere mit meiner dunklen Sonnenbrille hinter ihm her und bekomme beim Verlassen des Terminals erst mal so mächtig eine geschossen, dass ich kurz innehalten muss.
    Du lieber Himmel, was ist das denn? Herzschlag? Atemstillstand? Anaphylaktischer Schock? Dann begreife ich, was es ist: das Wetter. Oder besser gesagt, die abartig hohe Luftfeuchtigkeit. Bereits nach dreieinhalb Schritten gelange ich an meine Transpirationsgrenze, und meine Poren schaffen es innerhalb weniger Sekunden, mehr Schweiß zu befördern als eine russische Pipeline Öl durch die Ostsee. Die Luftfeuchtigkeit ist so extrem, dass ich überlege, meinen Durst durch Schnappatmung zu stillen. Doch nicht nur ich scheine von dem Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsgefälle zwischen Ankunftshalle und Außenbereich überrascht zu sein. Auch für eine wohlbeleibte amerikanische Rentnerin, die nun erst zu uns stößt, findet die Reise beinahe schon hier ihr Ende, da sie an den Stufen zum Bus zu scheitern droht. Nur dem beherzten Zugreifen von drei gestandenen Flughafenmitarbeitern ist es zu verdanken, dass sie das Schiff nicht nur von Fotos ihres mitreisenden Mannes kennenlernen wird. Mit letzter Kraft ächzt sie ins Innere des Busses, der daraufhin mit einem Knarzen in die Knie geht. Es folgen die anderen Freaks der Reisegruppe.
    Kaum haben wir Platz genommen, startet auch schon der Motor mit einem beunruhigenden Pfeifton. Doch unerklärlicherweise fahren wir nicht los, und es dauert einen Moment, bis ich merke, dass das pfeifende Geräusch nicht vom Busmotor kommt, sondern auf das Konto der fettleibigen Ami-Oma geht, die zwei Reihen vor mir in eine Doppelbank gedriftet ist und vor lauter Anstrengung ihre Lungenflügel freiröchelt. Die zwei Stufen des Busses waren einfach zu viel für sie. Mit aller Macht versucht sie, sich nun aus ihrem Sauerstoffdefizit herauszuhecheln, und rutscht dazu immer tiefer ins Kunstleder der Sitzbank. Dabei nimmt sie den Gesichtsausdruck einer frisch geangelten Makrele an, die gerade an Land gezogen wurde und darauf wartet, den Todesschlag versetzt zu bekommen. Ich bete, dass sich ihr Kreislauf stabilisieren möge, da ich nicht Augenzeuge ihrer Reanimation sein möchte. Zum Glück springt wie auf Abruf der echte Busmotor samt Lüftung an und übertönt das Pfeifen der fetten Makrele in Reihe zwei. Petri Dank!
    Doch zu früh gefreut, Robert. Denn mit dem Anlassen des Motors und dessen Lüftung springt automatisch auch die Klimaanlage an. Und wie! Wie ein Wrestler vom oberen Seil springt sie mir mit brachialer Gewalt entgegen und schleudert mich unbarmherzig zurück in meinen Sitz. Gefühlt fällt das Thermometer binnen Sekunden von achthundert Grad Celsius auf muggelige Eiszeit. Nicht nur, dass man nun auf meiner todschicken Ray-Ban-Blindenbrille Schlittschuh laufen könnte, ich glaube darüber hinaus, sogar Eisblumen auf meinem

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