Nasenduscher: Roman (German Edition)
Atemwege frei, sondern verlustiert sich mit donnergrollendem Getöse auch in meinem Magen-Darm-Bereich. Und so pendle ich mit linienbusartiger Regelmäßigkeit zwischen Toilette und Wohnzimmer. Dort habe ich mein geballtes Handwerkerwissen um mich aufgereiht und passe Romeo Dinas Leinengeschirr an. Und wie ich bereits vermutet habe, passt es ihm tatsächlich beinahe wie angegossen. Er sieht zwar unfassbar scheiße darin aus, aber das ist völlig egal. Allerdings sehe ich, dass auf dem gesamten Leinenzeug kleine Edelweißapplikaturen angebracht wurden. Hätte ich mir bei Herrn Jablinski ja denken können. Andererseits kann ich schon froh sein, keine Hakenkreuze vorzufinden. Das Telefon klingelt, und ich nehme ab.
»Süßemilch.«
»Hi, Robert. Ich bin es, Peer.«
»Peer. Und, sag schon. Hast du was rausgefunden?«
»Ja. Es ist so, wie ich es vermutet habe.«
»Du meinst, dass es also nicht erlaubt ist?«
»Nein, dass deine Idee so dermaßen krank ist, dass es noch nicht einmal eine Verwaltungsvorschrift dazu gibt. Du brauchst also weder einen Behindertenausweis noch irgendein anderes Formular. Du musst nur bei der Fluglinie und der Reederei angeben, dass du ein Blindenführtier dabeihast. Sonst nichts. Und es steht auch tatsächlich nirgends, dass es sich zwangsläufig um einen Hund handeln muss.«
»Siehst du, es sind nicht alle so diskriminierend wie du.«
»Halt die Klappe, Robert.«
»Sorry.«
»Jedenfalls kann deine Katze sogar mit dir im Flieger sitzen. Du musst noch nicht mal dafür bezahlen.«
»Kater, du meinst der Kater kann neben mir im Flieger sitzen.«
»Treib es nicht zu weit, Robert.«
»Schon gut. Auf jeden Fall ist das echt eine super Nachricht, Peer. Dann schicke ich denen jetzt gleich eine Mail und melde uns an. «
»Mach das. Aber sag niemals, dass dir das jemand vom Amt erzählt hat.«
»Natürlich nicht.«
»Du begibst dich da auf ganz dünnes Eis. Wenn irgendjemand was rauskriegt, bist du dran.«
»Ich passe auf.«
»Was sagt eigentlich Jana dazu?«
»Nichts. Sie weiß es nicht. Und sie darf es auch nicht erfahren. Wenn sie hört, dass ich mit dem Edelkater ihres Chefs um die halbe Welt jette, bringt sie mich um.«
»Zu Recht.«
»Sie wird es nicht erfahren, sie ist gerade selbst in Asien.«
»Na ja, du musst selbst wissen, was du da machst. Ach ja, noch was. Gib dem Kater vorher etwas zur Beruhigung, damit er den Flugstress gut verkraftet.«
»Mach ich. Dank dir, Peer.«
»Schon okay. Das ist echt das Verrückteste, was ich jemals gehört habe.«
Ich lege auf und lehne mich zurück. Dann gehe ich ins Bad und rühre eine neue Mischung lauwarmen Salzwassers für eine weitere Nasendusche an. Ja, verrückt ist diese Idee tatsächlich, aber was bleibt mir schon anderes übrig. Die Lauge rinnt mir diesmal mit etwas weniger Ekel durch die HNO -Gänge. Ich schaffe es sogar, dreißig Sekunden lang nicht zu würgen. Ich werde das Ganze jetzt durchziehen. Die Nasendusche, die Kreuzfahrt und meinen Kampf gegen diese verdammten Pollen und Allergien. Die Tür des Bads schiebt sich einen Spaltbreit auf, und Romeo schaut mich mit angelegtem Edelweißgeschirr und großen Augen an. Ich lächle und schaffe es mittlerweile sogar, einen Satz während des Naseneinlaufs zu sagen.
»Na, Romeo? Warst du schon mal auf den Bahamas?«
TEIL 3
Der blinde Passagier
21
Die Anreise
T rotz der frühen Stunde und der frischen Temperaturen schieben sich fünf pubertierende US-Boys von circa sechzehn Jahren mit Badelatschen und kurzen Hosen vor mir und Romeo in die Schlange des ersten Sicherheitschecks am Flughafen. Ich dagegen habe neben meiner neu erstandenen Sonnenbrille im Ray-Charles-Gedächtnislook einen klassischen Mantellook gewählt. Romeo hingegen trägt sein puffig-bayerisches Edelweißoutfit. Beim Packen war ich wenig wählerisch und habe die Bahamas-Standardvariante mit Badeshorts, Flipflops, Leinenhose und ein paar meiner Lieblings-American-Chief-Polohemden gewählt. Dazu noch die Nasendusche samt fünf Salzgranulatpäckchen für den Notfall. Die sollten mir zumindest über das Gröbste hinweghelfen. Außerdem habe ich mich dazu entschlossen, auf eine gelbe Blindenbinde mit schwarzen Punkten zu verzichten. Das war mir dann doch etwas zu dick aufgetragen. Und auch ohne Binde hat bisher alles bestens funktioniert. Die Fahrt in der S-Bahn ebenso wie der Check-in am Schalter. In einer Stadt, die Heinz Schenk und Goethe in einem Atemzug als ihre Idole nennt, scheint man anderes gewohnt zu
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