Nasenduscher: Roman (German Edition)
gereizt, es auszuprobieren.«
»Und warum die Maskerade als Blinder?«
»Weil es auffällt, wenn man zu lange konzentriert in den Kessel starrt. Als Blinder hinter der dunklen Sonnenbrille fällt das aber keinem auf. Es tut mir leid. Es war falsch. Werden Sie mich nun verraten und anzeigen?«
Wie könnte ich das? Man würde mich ebenfalls als Betrüger entlarven. Nur kann ich das Herrn Völker natürlich nicht sagen. Aber ungeschoren möchte ich ihn auch nicht davonkommen lassen.
»Kommt drauf an.«
»Auf was? Wollen Sie einen Teil davon abhaben?«
»Nein.« Ich hebe die Hände und schüttele dazu vehement den Kopf. »Ich möchte damit nichts zu tun haben.«
»Aber zurückgeben kann ich es doch auch nicht. Man würde mich festnehmen.«
Da hat Herr Völker recht. Man würde fragen, warum er gewonnenes Geld ans Kasino zurückgeben will, und früher oder später Verdacht schöpfen. Am Ende würde seine Geschichte auffliegen. Und wahrscheinlich meine dazu.
»Ich habe eine Idee.«
»Sie zeigen mich an, oder?«
»Nein, verdammt. Aber ich möchte, dass Sie das Geld spenden. Und zwar an diese Tierschutzorganisation hier.«
Ich nehme die Visitenkarte von Raul Brandao aus dem Geldbeutel und reiche sie ihm.
»Ich verlasse mich auf Sie. Wenn ich in vierzehn Tagen dort anrufe, und Herr Brandao berichtet mir, dass keine Zahlung eingegangen ist, werde ich Sie anzeigen.«
»Sie können sich darauf verlassen. Wissen Sie, irgendwie habe ich die ganze Zeit nur darauf gewartet, dass ich auffliege.«
»Das haben Sie ja nun geschafft. Guten Abend, Herr Völker.«
Ich ziehe Romeo zur Seite und bin beruhigt, dass er wohl noch nie etwas vom Blind Catman an Bord gehört hat.
47
Katerstimmung
D ie Bahamas. Das Hauptziel meiner Reise steht auf dem Programm. Doch bei mir geht gar nichts. Denn der heutige Tag begann mit einem ausgewachsenen Kater. Und was für einem! In meinem Kopf spielen sich seit den frühen Morgenstunden Jahrhundert-Eruptionen ab. Sowohl der Ätna als auch der Vesuv haben über Nacht ihren Standort gewechselt und sind direkt unterhalb meiner Schädeldecke eingezogen. Dazu entwickelt dieses russische Feuerwasser im menschlichen Blut eine Langzeitwirkung wie vier Kilogramm Anthrax.
Aua! Hatschi!
Noch mal aua!
Bei jedem Niesen klatscht mein Hirn schmerzhaft gegen die Schädeldecke und zerreißt mich beinahe. Ich versuche, mich mit einer ausgiebigen Dusche und zwei Flaschen Wasser wiederzubeleben. Es gelingt nur teilweise.
Fünf Minuten später schiebe ich mich mit einem munteren Romeo aus der Kabine hinaus auf den hell erleuchteten Gang. Selten zuvor war ich auf dieser Reise dankbarer für meine dunkle Sonnenbrille als an diesem Morgen. Ich schleiche mich in die hinterste Ecke des bordeigenen Internetcafés und checke meine Mails.
Eine ist von Hubsi.
Er hat die Gläser.
Natürlich haben sie den vollen Preis gekostet.
Auf dem Weg zum Early-Bird-Frühstück überlege ich, zur Kühlung der Vulkane direkt in den Pool zu springen. Oder gleich in den Atlantik. Ich verschiebe es auf morgen. Stattdessen treffe ich Tiffany kurz darauf quietschfidel am Buffet. Sie sieht fantastisch aus. Wie macht sie das nur? Sie hat mindestens ein halbes Dutzend weißer Russen mehr in sich hineingeschüttet als ich. Sie nimmt sich lediglich zwei Bananen und einen Apfel aus dem Obstkorb und fragt, ob sie gleich bei mir vorbeikommen soll, um Romeos tägliche Salbung vorzunehmen. Sie lässt sich da nicht lumpen. Hut ab.
Keine zwanzig Minuten später klopft Tiff an meine Kabinentür und wendet sich sogleich Romeo zu. Und sie behandelt ihn derart perfekt, dass ich mir kurz überlege, zurück nach Roatan zu segeln und mir meinen eigenen Tripper zu besorgen.
»Und was hast du heute so gemacht?«, fragt sie.
»Heute? Du meinst den Tag, nachdem die weißen Russen meinen Schädel eroberten?«
»Ja.«
»Tiff, der Tag ist doch nicht mal zwei Stunden alt. Ich bin froh, dass meine Atmung ohne Herz-Lungen-Maschine funktioniert.«
Hatschi!
»Aua!«
»Alles okay, Robert?«
»Geht schon. Was hast du denn heute schon gemacht? Schon an Land gewesen?«
»Nein. Ich war ein wenig im Bordshop einkaufen.«
»Aha.«
»Ach ja, und dann habe ich noch mit diesem jungen Kroaten gevögelt.«
Halluzinationen? Höre ich Stimmen? Ist das möglicherweise eine Nebenwirkung dieses Gesöffs? Ich gebe Tiff eine weitere Chance.
»Du hast was?«
»Na, der junge Kroate aus dem Restaurant. Wie hieß der noch gleich?«
»Herr Grilic?«
»Ja, genau der.
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