Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Titel: Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
Vom Netzwerk:
auszusehen?«
    »Was … hat Gunnar dir erzählt?«, fragte Svenja.
    »Nur, dass er dir mit Anatomie geholfen hat und dass du es schwer hast wegen deines Sohnes.«
    Sie blieb stehen und nahm Svenjas Hände in ihre. »Wenn du willst, kannst du ihn mal herbringen«, sagte sie leise. »Du hättest mehr Zeit für dein Studium, und meine Tante würde sich freuen, wenn die Zwillinge jemanden zum Spielen hätten. Gunnar hat gesagt, er sei manchmal schwierig, der Kleine … Ich meine, vorhin ist er ja auch abgehauen … Er ist wohl sehr selbstständig, dass er ohne dich in der Stadt herumläuft?« Sie lachte, ein wenig unsicher. »Na, er kann den Zwillingen zeigen, wie man auf Bäume klettert. Wird Zeit, dass sie etwas anderes lernen als Herumflattern und Kichern.«
    »Danke«, sagte Svenja. »Ich werde ihn fragen.«
    Wenn du glaubst, dass die Zwillinge auf Bäume klettern
,
dann liegst du falsch. Du müsstest schon vorausklettern
.
     
    Draußen, unter den grünhohen Bäumen, stand jetzt eine Gruppe Leute um einen großen Grill, und Svenja wurde herumgereicht und vorgestellt: Das ist Svenja in Juliettas Kleidern. In letzter Zeit, dachte Svenja, scheint jeder die Kleider von irgendjemand anderem zu tragen.
    Juliettas Mutter und ihre Schwester waren ältere Abbilder ihrer Kinder: dunkelhaarig, dunkeläugig, wunderschön. Juliettas Vater klopfte Svenja auf die Schulter und drückte ihr ein Glas Wein in die Hand. »Nein, danke, es ist ja erst Nachmittag …«, begann sie.
    »Ach«, sagte er, »an einem Sonntag, der so grau ist, muss man nachmittags mit den guten Jahrgängen anfangen. Abends kann man dann zu den guten Jahrgängen in den Schnapsflaschen übergehen.«
    Juliettas Mutter gab Svenja ein Glas Saft und schüttelte den Kopf. »Hör nicht auf ihn. Gunnar hört auch nicht auf ihn. Gunnar ist der einzig Vernünftige hier.«
    Gunnar stand am Grill und wendete Fleisch. Er stand allein.
    Aber durch die hohen Blumenstauden kam jetzt noch jemand, der wirkte, als wäre er hier zu Hause. Er winkte.
    »Na, Gott sei Dank, einer meiner unvernünftigen Mitstreiter«, sagte Juliettas Vater. »Der trinkt mit mir.«
    »Nils«, sagte Svenja.
    Nils grinste. »Wie kommst du denn hierher?«
    »Ich bin geschwommen«, sagte Svenja und ließ Nils mit seinem Grinsen und Juliettas Vater stehen. Das Fleisch am Grill musste ganz bestimmt nicht so oft gewendet werden, wie Gunnar es tat. Sie sah ihm eine Weile zu.
    »Gunnar«, flüsterte sie schließlich, »du bist ein elender Lügner.«
    »Ich?« Er sah auf und lächelte so leicht, dass man es kaum sah. Nur die Sommersprossen kamen ein wenig in Unordnung.
    »Du hast ihr erzählt, ich wäre Nashvilles Mutter. Hast du sie noch alle?«
    »Es war so eine schöne Geschichte.«
    »Und es erklärt, dass du mir unbedingt helfen musst. Musstest du mir gestern Abend auch helfen?«
    »Ich …«
    »Du willst raus hier«, sagte Svenja. »Das ist es.«
    »Warum sollte ich? Hier ist es schön.«
    Er musterte sie wieder mit diesem merkwürdig suchenden Blick. Als wäre eine Antwort in ihrem Gesicht versteckt.
    »Zweiundvierzig«, sagte sie.
    »Wie?«
    »Du siehst aus, als ob du etwas suchst. Ich dachte, vielleicht ist es der Sinn des Lebens. Das wäre die Zahl Zweiundvierzig. Douglas Adams.«
    »Ach … so«, sagte Gunnar langsam, und sie fragte sich, ob er wusste, wovon sie sprach.
    Svenja sah auf den Neckar hinaus, dessen Blau hinter den alten Bäumen vorüberfloss, und wurde ernst. »Hast du es mitgekriegt? Die Sache beim Wehr? Der Notarzteinsatz?«
    »Welcher Notarzteinsatz?«
    Sie holte tief Luft. Die Worte wollten nicht recht aus ihrem Mund. »Der … Junge von gestern Abend. Der Freund von Nashville und Nancy. Er ist tot, Gunnar. Sie haben ihn heute Morgen im Wehr gefunden.«
    »Ertrunken?«, fragte Gunnar sehr leise.
    »Nein. Jemand hat ihm den Hals durchgeschnitten. Genau wie den anderen. Es ist eine so einfache Methode … so … matter of fact. Als würde man ein Tier schlachten. Eins, und dann das nächste. Fließbandarbeit.«
    Sie sah Gunnar an. Er hielt die Grillzange so fest, dass es wehtat, hinzusehen.
    »Verdammt«, sagte er leise. »Gehst du jetzt zur Polizei?«
    »Nein. Ich werde das selbst herausfinden, Gunnar. Aber nicht allein.«
    »Ich helfe dir«, sagte Gunnar. »Wenn du mir sagst, was ich tun kann …«
    »Genau das weiß ich eben nicht«, flüsterte Svenja.
    In diesem Moment fing es an zu regnen.
     
    Neben dem Gartenhaus gab es ein Dach aus grün-weiß gestreiftem Tuch, und

Weitere Kostenlose Bücher