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Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Titel: Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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die Svenja schon bei dem anderen Discounter gesehen hatte. Der jüngere war vielleicht so alt wie sie selbst. Sie spürte etwas Kratziges in ihrer Kehle, das sie wegschlucken musste.
    Und auf einmal nahm Nashville die Filzstiftpackung vom Band und rannte zurück zwischen die Regale.
    »Nashville?«, rief sie. »Komm zurück!«
    Was hatte ihn diesmal in Panik versetzt? Die Penner? Würde er auf ein Regal klettern? Oder bis hinein in die metallenen Deckenverstrebungen des Gebäudes? Friedel und seine Mitbewohner würden ihn sehen, und sie wüsste nicht, wie sie ihn wieder herunterbekommen sollte … Verdammt, es war wie mit der zerplatzten Tomate: Wo Svenja Wiedekind auftauchte, gab es nur Missgeschicke.
    Doch da stand Nashville schon wieder neben ihr, keineswegs in Panik, und legte etwas anderes aufs Band: eine Dose Kartoffeleintopf mit Würstchen.
    Svenja sah ihn an. »Muss ich das verstehen?«, fragte sie.
    Nashville sah weg.
    Sie bezahlte die Einkäufe und packte sie in die Stofftüte. Er riss sie an sich, um sie zu tragen und nützlich zu sein. Bei der Rolltreppe merkte sie, dass er nicht neben ihr war, und drehte sich um. Er stand bei den Pennern. Und dann rannte er zu ihr, die Stofftüte schlenkernd. Der alte Penner mit den weißgrauen langen Haaren hielt jetzt eine Dose Kartoffeleintopf in der Hand.
    »Warte!«, rief er. »Wo ist sie?«
    Nashville stellte sich neben Svenja auf die Rolltreppe, zog die Schultern ein und schien sich alle Mühe zu geben, unsichtbar zu werden.
    »Wo ist wer?«, fragte Svenja. »Was meinte der Typ? Und warum hast du die Dose für die Penner gekauft? Das war nett, aber …«
    Er sah wieder weg.
    Unten stand Friedel mit dem großen Spanier und dem kleinen Franzosen. Friedel winkte mit einer Gurke, und als Svenja das Grinsen auf ihrem Gesicht fühlte, sah sie rasch auf ihre eigene Art weg.
     
    Die Caféstühle draußen, unter der Kastanie, schienen im warmen Nachmittagslicht zu schmelzen. Ganz hinten gab es eine kleine Statue von einem Rad fahrenden König mit einem Vogel auf dem Lenker. Er sah sehr allwissend aus, vielleicht wusste er, vor wem Nashville sich versteckte.
    Svenja ließ ihren Blick über die Tische und die Kaffeetrinker gleiten. Und sie dachte, dass es schön sein musste, zu zweit an einem solchen Alutisch zu sitzen, hier im lauen Tübinger Abend, und keine Sorgen zu haben außer die, dass der Kaffee kalt wurde im Kastanienschatten.
    Einer saß dort, über einen Laptop gebeugt, mit dem wollte sie nicht tauschen. Sie sah nur seinen gekrümmten Rücken, einen konzentrierten Rücken, der stumm verkündete:
Stört mich nicht. Ich arbeite.
Warum dort?, dachte Svenja.
    Sie wollte gehen, sie ging, sie war schon fast gegangen, da hob der mit dem Laptop den Kopf und drehte sich halb um, vielleicht um noch einen Kaffee zu bestellen. Svenja sah sein rostbraunes Haar in der Abendsonne glänzen. Und sie sah die auf die Entfernung unsichtbaren Sommersprossen.
    Holzen. Gunnar Holzen saß hier unter der Kastanie und hackte Dinge in einen Laptop.
    Sie winkte, genau wie vor der Anatomie. Er sah von ihr zu Nashville und wieder zu ihr, hob den Arm und winkte zurück, noch halb versunken in das Fenster auf dem Laptop, noch halb gefangen in einem engen Raum aus Zahlen und Daten. Dann stand er von seinem Tisch auf, als wollte er herüberkommen, lächelte – und plötzlich war es wieder, als ertappte er sich selbst bei etwas, das er besser nicht tat. Er nickte einen Gruß und setzte sich. Die Schatten unter seinen Augen schienen das Blau des Bildschirms zu spiegeln.
    »Wir sehen uns«, flüsterte Svenja. »Irgendwie. Sie sollten meinen Mitbewohner kennenlernen. Der eine hat einen Kater Carlo … der andere eben einen Nashville.«
    Doch Holzen hatte seine Hände bereits wieder auf der Tastatur.
     
    »Er existiert also«, sagte Friedel.
    Sie saßen vor der Mensa, an einem der wenigen Freilufttische. Svenja hatte nicht mitkommen wollen. Aber sie hatte an diesem Tag drei Vorlesungen besucht, war in allen dreien eingeschlafen und brauchte dringend einen Kaffee. Als sie Nashville am Morgen verlassen hatte, war er vertieft gewesen in das Andersen-Buch, das ein ganz neues Buch war, weil er es verkehrt herum ansah.
    »Er existiert, und er kauft im Supermarkt Dosen für Penner«, sagte Friedel.
    Svenja nickte. »Frag mich nicht, warum er die Dinge tut, die er tut. Er tut sie einfach. Vielleicht fragt man sich im Allgemeinen viel zu viel.«
    »Kann sein«, sagte Friedel. »Aber ich

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