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Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Titel: Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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Im Vorraum lagen die Jacken und Regenmäntel haufenweise auf Tischen, feucht vom Regen, nacktschneckenartig. Friedel streifte seine blaue Mülltüte ab und schüttelte sich.
    »Auf dem Rückweg nehmen wir uns zwei andere Mäntel«, sagte er.
    Oder vielleicht sagte er auch etwas ganz anderes, denn in diesem Moment setzte der Lärm ein.
    Das. Konzert. Begann.
    Svenja fand sich neben Friedel in einer breiigen Masse von Zuhörern wieder, wurde in die Mitte des Raumes geschoben, wurde Teil eines großen Tiers, das sich zu den Rhythmen der Band bewegte, sich verformte und selbst verdaute, ein Tier aus Hunderten von Körpern, durch dessen Adern das Scheinwerferlicht floss.
    Country meets Eletronic
war eine etwas gewagte Beschreibung der Musik. Der einzig zutreffende Begriff darin war
meets
, denn jemand oder etwas jaulte ziemlich miezig in ein Mikrofon. Miezofon, hätte Friedel gesagt. Es war in jedem Fall laut, und der Lärm ertränkte jede Erinnerung an zu streichende Wände und verschwundene Geldscheine und nächtliche Wälder.
    Das war gut, denn Svenja musste so vieles loswerden: Verantwortung, Verwirrung, Verschwiegenheit, die Vergeblichkeit eines schrägbodigen Kaffeetrinkens … Sie verlor Friedel und fand Kater Carlo, der etwas zu ihr sagte, was sie nicht verstand. An der Wand blinkte jetzt der Bandname in roten Lichtbuchstaben:
MASHVILLE
.
    »Er hat das auch gemacht!«, rief Svenja Kater Carlo zu. »Er hat die ganze Wohnung mit seinem Namen …« Egal. Man verstand sowieso nichts. Kater Carlo legte einen muskulösen spanischen Arm um sie und tanzte eine Weile mit ihr. Irgendwo tauchte Katleen auf, das immer gleiche graue T-Shirt war ihr über eine Schulter hinabgerutscht. Dann verlor Svenja auch Katleen und Kater Carlo wieder und kämpfte sich hinaus, um ein Glas Flüssigkeit zu ergattern. Die Flüssigkeit schmeckte nach Scheuermittel und war daher offenbar Gin Tonic.
    »Hey, Svenja«, sagte Nils.
    Sie ließ sich von ihm zurück in die Breimasse schieben.
    Es war nett, neben jemandem zu tanzen, der keine perfekte Julietta aus der Tasche zauberte und nicht auf einem Balkon still die Sterne nach jemand anderem anheulte. Sie merkte, dass sie Nils küsste. Er küsste ziemlich gut.
    Sie dachte an all die Experimente ihrer Schulzeit, all die Leute, die sie geküsst hatte. Es hatte nie viel bedeutet. Nils zu küssen bedeutete überhaupt nichts. Sie konnte auf seiner Zunge schmecken, dass er genauso dachte, und das war sehr erleichternd. Sie war hergekommen, um einen Mann zu finden, der etwas bedeutete. Aber wenn das unmöglich war?
    Es gibt keine perfekten Männer.
    Ihre Mutter hatte recht. Es reichte vielleicht, ab und zu mit einem wie Nils zu tanzen. Wer verlangte denn, dass man sich für ewig fand und weiße Tauben züchtete und fünfzehn Kinder bekam?
    Nils nahm sie mit aus der Masse, um einen besseren Ort zum Küssen zu finden, oder einen besseren Ort für ganz andere Dinge …
    »Svenja«, sagte Friedel und tauchte aus dem Gewühle im Vorraum auf.
    Sie hing noch immer an Nils’ Arm. Friedel sah sie einen Moment lang an, seine Rastalocken klebten regenfeucht an seinem Kopf, und auch der Rest von Friedel sah irgendwie verregnet aus. »Ich geh mal raus«, sagte er und drehte sich um.
    »Auweia«, meinte Nils und lachte. »Das hat ihm aber nicht gefallen. Komm.«
    Er wollte sie weiterziehen, in irgendeinen Flur, in eine unübersichtliche Dunkelheit. Die Berührung seines Armes war warm und verlockend. Ein wenig besitzergreifend.
    Und da blieb Svenja stehen.
    »Ich glaube, ich muss auch raus«, sagte sie. »Ich brauche frische Luft. Wir sehen uns später.«
    »Nein, bleib!«, murmelte Nils und zog sie sanft an sich. »Bitte! Lass mich doch jetzt nicht allein!«
    Sie fuhr ihm mit einer Hand über den Kopf und spürte sein weiches kurzes Haar: Stofftierkonsistenz. »Armer kleiner Nils«, flüsterte sie. »Dreh dich um und geh zurück. Du wirst sicher eine Menge Leute finden, die dir Gesellschaft leisten.«
     
    Der Platz zwischen den unübersichtlichen Gebäuden war nass und schlammig, in der Luft hing der Duft nach vergangenem Regen und nahem Wald. Es tropfte noch von den Dachüberständen. Durch die Regenrinnen rannen Reste der Musik. In der Dunkelheit standen menschliche Schatten, lose über den Hof verteilt, Zinnsoldaten im ewigen Krieg gegen die Realität, die Waffen in ihren Händen Gläser, Flaschen und glimmende Zigaretten. Sie fand Thierry und Kater Carlo, die zusammen an einer Wand lehnten, nahe, aber nicht

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