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Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Titel: Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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verschluckt oder Tübingen ist abgebrannt.« Ihre Stimme klang nicht vorwurfsvoll, nur erleichtert.
    »Ja«, sagte Svenja. »Ich wollte dir nur schnell mitteilen: Eine Sintflut hat das Handy verschluckt, und Tübingen ist abgebrannt. Ich rufe aus den überschwemmten Trümmern an. Die Technik funktioniert zum Glück noch. Ich …« Sie zögerte. »Du hast dich auch nicht gemeldet.«
    »Nein«, sagte ihre Mutter. »Ich habe mich nicht getraut. Du bist doch jetzt groß und selbstständig. Ich wollte nicht in der Leitung hängen und dich nerven. Hast du meinen Brief bekommen? Die Schokolade und die Zigaretten und das Geld? Ich dachte, Extrageld kann man immer brauchen.«
    »Geld?« Svenja starrte das Handy einen Moment lang an, ehe sie es wieder ans Ohr hielt. »War … Geld in dem Umschlag?«
    »Sag nicht, du hast es nicht gefunden und mit dem Umschlag zusammen weggeworfen. Das wäre typ… das könnte dir passieren.«
    »Könnte es«, sagte Svenja. Aber sie war sich sehr sicher, dass der Umschlag leer gewesen war, nachdem sie Schokolade, Karte und Zigaretten herausgenommen hatte. Nachdem er zwei Wochen auf der Mikrowelle gelegen hatte. »Wie viel war drin?«
    »Zweihundert Euro.«
    Svenja schluckte. »Danke. Das war lieb von dir. Ich werde das Geld sicher noch finden. Aber ich brauche keine zweihundert Euro extra.«
    Sie brauchte dringend zweihundert Euro extra. Sie musste Kinderturnschuhe kaufen und Kinderwäsche und Kinderdies und Kinderdas. Und das Kind? Was hatte es mit den zweihundert Euro gemacht? Kartoffeleintopf in Dosen gekauft und an Penner verschenkt?
    »Geht’s dir denn gut?«, fragte sie. »Bist du mit dem Umzug durch?«
    »Jawoll«, sagte ihre Mutter. »Und stolz darauf. Seit zwei Wochen allein in der neuen Wohnung, ohne deinen Vater. Ich habe hier nur ein bisschen zu viel Zeit zum Denken. Dein Vater war immer … ich weiß nicht … den Gedanken irgendwie im Weg. Zu quirlig, schlimmer noch als du … Du kennst das ja von ihm, hier und da und dort und wieder weg … Wie ist Tübingen?«
    »Warum habt ihr damals geheiratet?«, fragte Svenja. Es war leichter, solche Dinge zu fragen, wenn man nicht mehr zu Hause wohnte. »War das wirklich meinetwegen?«
    »Quatsch«, sagte ihre Mutter schroff. »Wir waren schon verliebt, am Anfang. Leider lässt das nach.«
    »Immer? Ich meine, es muss doch möglich sein, den perfekten Mann zu finden … Ich weiß, das klingt, als wäre ich fünf, aber …«
    »Hast du ihn schon kennengelernt? Den perfekten Mann?« Da war kein Spott in der Frage, nur ehrliches Interesse.
    »Ja«, sagte Svenja. »Und dann habe ich die perfekte Frau kennengelernt, und er ist mit ihr verlobt. Es gibt natürlich noch ein Ausweichexemplar. Ein etwas chaotischer Typ, ziemlich hübsch und definitiv interessant.«
    »Ja?«
    »Aber der ist unglücklich verliebt in seinen Mitbewohner.«
    »Na, herzlichen Glückwunsch.« Svenjas Mutter lachte. »Ich fürchte, es gibt keine perfekten Männer. Wann soll ich mich in den Zug setzen?«
    »Du sitzt noch nicht drin?«, fragte Svenja und lachte ebenfalls. Es war entspannend, mit ihrer Mutter zu lachen.
    »Nein, lass es«, sagte sie dann. »Ich komm schon klar. Ich hab das erste Testat bestanden, und … jetzt gehe ich den dritten Mann im Bilde von einem Schreibkurs abholen. Aber – Mama? Als Kind … habe ich mal unterm Tisch gewohnt?«
    »Natürlich. Da warst du fünf.«
    »Und habe ich mal heimliche Nachtwanderungen gemacht?«
    »Da warst du vierzehn.«
    »Stimmt.« Sie lächelte. »Ich erinnere mich.« Also kein Anhaltspunkt. Nashville war gleichzeitig fünf und vierzehn. »Und … hast du zu irgendeinem Zeitpunkt gedacht, du verstehst mich überhaupt nicht und du kannst sowieso nur alles falsch machen?«
    »Zu irgendeinem Zeitpunkt?« Ihre Mutter lachte wieder. »Nein, immer. Und ich habe dich trotzdem immer lieb gehabt. Jetzt geh deinen dritten Mann abholen. Er wartet sicher.«
     
    Er wartete nicht. Er saß auf dem Schrank und untersuchte mit großer Sorgfalt das Gewirr aus Multisteckern und Kabeln dort.
    »Wir sind bis zum H gekommen«, sagte Friedel und grinste. »Dann hat Thierry gesagt, das Internet funktioniert nicht mehr, und er ist da raufgeklettert, wozu auch immer.«
    »Und … wenn ihr bis zum H gekommen seid … Wo habt ihr angefangen?«
    »Beim N.«
    »Beim N?« Sie sah Friedel durchdringend an. Er saß in einem der alten dunkelgrünen Ohrensessel in der Ecke, so einem Ding mit ehemals goldenen Noppen, und rauchte einen Joint

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