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Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition)

Titel: Nashville oder Das Wolfsspiel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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nahe genug. Armer Kater Carlo.
    Hinter der Grillscheune, wo langsam die letzten Kohleaugen verglommen, gab es ein paar Stühle auf Feuchtkies und eine nasse Bühne. Am Bühnenrand saß Friedel und rauchte. Svenja setzte sich neben ihn. Es war verdammt nass.
    »Es ist verdammt nass«, sagte sie.
    Friedel sah sie kurz von der Seite an. »Wo hast du Nils gelassen?«
    Sie zuckte die Schultern. »Irgendwo.«
    Eine Weile schwiegen sie. Dann holte Friedel tief Luft und sagte: »Ich bin völlig nüchtern.«
    »Das ist nicht gut«, sagte Svenja. »Soll ich uns noch was zu trinken besorgen?«
    »Nein. Geh da nicht rein. Nicht jetzt. Bleib einen Moment hier, ehe du mit dem Nächsten rumknutschst. Nur einen Moment.«
    »Hey, ich …«
    »Pssst«, machte Friedel und gab ihr den Joint. »Hör mal. Die Nacht.«
    Svenja lauschte. Zuerst hörte sie nur das Bassdröhnen aus dem Saal, doch dann fand sie etwas dahinter: das Rauschen der Bäume.
    Überall um Tübingen herum gab es Bäume, überall gab es Wald. Ein Käuzchen schrie. Der Regen fiel von den Blättern. Tropf. Tropf.
    Dann zerrief jemand die Ruhe, zuerst noch weit entfernt, jenseits der Grillscheune: »Morgenzeitung? Zeitung von morgen?«
    Svenja sprang von der Bühne. »Komm, kaufen wir ihm eine Zeitung ab, damit er sich freut. Scheißjob.«
    Friedel folgte ihr langsam durch den schlammigen Kies.
    »Morgenzeitung … eine? Danke.« Der Zeitungsausträger sah sie einen Moment lang an. Er kam ihr seltsam bekannt vor. Und auf einmal wusste sie, wer er war: einer der Penner. Der ganz junge, der von vor-dem-Supermarkt. Nachts Zeitungen, tags betteln. In der Kombi ein Vollzeitjob.
    Sie gab ihm zwanzig Cent mehr, als die Zeitung kostete.
Wenn ich reich wäre. Wenn ich wirklich reich wäre, würde ich für jede Morgenzeitung zehn Euro bezahlen.
    »Seite fünf«, sagte er. Dann drehte er sich um und ging. Und etwas war komisch, etwas war schon vorher komisch gewesen. Sie wusste nicht, was. Sie hielt die Zeitung ins Schummerlicht einer Außenlampe an der Scheune. Seite fünf. Da war ein Foto vom Wald, man erkannte nicht viel, nur Bäume und eine Art Absperrung. Ein paar uniformierte Leute.
    Friedel sah ihr über die Schulter. »Warum lesen wir mitten in der Nacht Zeitung?«
    GRAUSIGER FUND AM ÖSTERBERG
, sagte die Zeitung.
    Am Steilhang im Wald bei den Roßwiesen wurde gestern Abend von einem Spaziergänger und seinem Hund eine Leiche entdeckt. Als der Hund sich losriss und im Gebüsch am Hang anschlug, schöpfte der Mann Verdacht, ging dem Tier nach und fand die Frauenleiche, die offenbar schon seit Längerem im Freien lag.
    Noch ist die Identität der Toten unklar.

6 Bänke
    Svenja blätterte weiter, doch mehr stand nicht da.
    Sie ließ sich auf eine der Holzbänke in der Scheune fallen. Ihre Beine waren auf einmal sehr zitterig. »Friedel?«, fragte sie und hörte sich selber kaum. »Ich brauche einen Schnaps. Oder irgendwas anderes Starkes.«
    »Jetzt?«
    »Nein, übermorgen«, sagte Svenja. »Friedel … diese Frau … Nashville war da. Im Wald am Österberg. Ich bin ihm nachgegangen. Und dann bin ich gerannt, weil ich zu feige war, um weiterzugehen. Wenn ich weitergegangen wäre, wäre ich die gewesen, die über die Leiche stolpert … oder auch nicht. Vielleicht gab es da die Leiche noch gar nicht. Es ist jetzt eine Woche her … Friedel?«
    »Ich bin gleich wieder da«, sagte Friedel. Svenja blieb alleine auf der Holzbank sitzen und versuchte zu denken. Aber es gelang ihr nicht. Die Nacht war ein einziges Kuddelmuddel aus gesprengten Gedanken und roter Schrift an Wänden:
NASHVILLE NASHVILLE NASHVILLE .
    Und dann wusste sie, ganz plötzlich, was komisch gewesen war.
    Die Stimme. Die Stimme des Zeitungsverkäufers, des Penners; sie kannte diese Stimme. Nur woher?
     
    Das Stärkste, was Friedel fand, war der Gin, der für den Gin Tonic gedacht war. Er kam mit zwei großen Gläsern davon zurück.
    »Auf was?«, fragte Friedel und hob sein Glas, um anzustoßen.
    »Auf ex«, sagte Svenja und leerte ihr Glas, als wäre darin Medizin.
    »Scheußlich«, sagte sie dann und schüttelte sich. »So. Und jetzt gehen wir wieder tanzen.«
    »Aber … was du eben gesagt hast, Nashville und … diese Leiche«, begann Friedel verunsichert. »Ich meine, war das ein Witz?«
    »Ich habe versucht, darüber nachzudenken«, sagte Svenja mit etwas langsamer Zunge. »Aber ich kann es nicht. Nicht jetzt. Es ändert auch nichts. Komm.«
    Sie zog Friedel mit sich, zurück zum Saal, wo MASHVILLE

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