Natalia, ein Mädchen aus der Taiga
sahen, das Tigran mit beiden Händen festhielt, weil der Handwagen über die schaurig unebene Straße nur so hüpfte, rissen alle ihre Mützen vom Kopf. Aus der Mitte tönte Ostaps helle Stimme:
»Eben ist ein Stück Fuß aus dem Kamin geflogen! Der Ingenieur wird zerstückelt!«
Alle stöhnten laut, die Frauen bekreuzigten sich. Tigran beugte sich vor und boxte Jefim in den Rücken. Der trug zwar auch nicht mehr seinen Sackumhang, aber die Stiefel hatte der Pope erkannt.
»Lauft um das Haus herum!« brüllte Tigran. »Immer und herum! Wir kreisen den Teufel ein! Wir ziehen einen Bannkreis! So wird er nie ins Dorf kommen! Geweihte Erde wird zwischen ihm und uns sein! Lauft, ihr beiden!«
Die Leute von Satowka machten Platz. Dreimal umkreiste Tigran, das Kreuz mit aller Kraft hochhaltend, im Handwagen das Haus. Es schien zu helfen. Das Feuer verebbte, es knallte nicht mehr, nur noch schwach leuchtete ein diffuser rötlicher Schein durch die Fenster, als umgebe den Satan ein rötlicher Nebel. Dann war auch das vorbei, und das Haus lag wieder dunkel und still in der Nacht.
Der Feuerkreis der Fackeln flackerte weiter. Tigran ließ anhalten und kletterte aus dem Handwagen. Er war zufrieden mit allem. Drei Männer hielten das Kreuz fest und starrten ihren Popen ehrfürchtig an.
»So geht man mit bösen Geistern um!« erklärte Tigran Rassulowitsch stolz. »Gegen den wahren Glauben haben sie keine Chance!«
Er ging allein – die anderen hielten mehr Abstand vom Haus – zu dem Berg von Geschenken und musterte sie. Sie waren sichtlich weniger geworden. Bestimmt, so stellte Tigran mit Verbitterung überschlägig fest, hatte Jefim mehr weggeschleppt als er. Er drehte sich um und musterte seine Bauern mit gesträubtem Bart. »Was habt ihr gesehen?« brüllte er.
»Das … das Feuer!« sagte einer zaghaft.
»Nichts habt ihr gesehen! Betrachtet eure Geschenke! Eine Menge fehlt! Wenn ihr es selbst nicht wieder geklaut habt, war der Satan mitten unter euch und hat sich das Beste geholt! Und keiner von euch hat ihn gesehen. Ihr alle seid verseucht! Opfert morgen, damit man euch reinigen kann!«
Das wird einen guten Ausgleich geben, dachte der Pope. Es wäre doch unerträglich gewesen, sich von dem Idioten beschämen zu lassen!
Im Haus rührte sich nichts, nur aus dem Kamin quoll noch giftiger Rauch und zog träge zum Wald hinüber.
Tigran wollte die Aktion mit einem gemeinsamen Gebet beenden, aber da störte ihn Vitali Jakowlewitsch Gasisulin. Er war ein kleiner, schmächtiger Mann mit traurigen Augen. Er sprach leise, mit wehmütiger Stimme und besuchte jeden Monat die Alten im Dorf, betrachtete sie und ging noch trauriger wieder nach Hause.
Das hatte seinen Grund: Vitali Jakowlewitsch hatte das ehrbare Handwerk eines Sargmachers gelernt. Sein Vater, aus Batkit zugewandert, hatte es so gewollt, und seitdem verfluchte er seinen Vater, denn in 29 Jahren hatte er, außer seinem Vater, nur 32 brave Bürger von Satowka in einen seiner Särge legen dürfen. Zweiunddreißig in neunundzwanzig Jahren, kann man davon leben? Im Dorf hatte man Mitleid mit Vitali, aber die Alten waren, bei allem Verständnis für seine verzweifelte Lage, nicht bereit, frühzeitiger zu sterben.
Man hatte deshalb beschlossen, nach einigen erregten Sitzungen des Dorfsowjets, daß der Genosse Gasisulin zwei Gemeindeämter übernehmen könne: als Küster für die äußere Reinheit der Kirche zu sorgen und als Friedhofsgärtner die Gräber in Ordnung zu halten. Außerdem war er zum Totengräber bestellt worden, aber das brachte auch nichts ein, denn einen Sarg zimmern und ein Grab ausheben, gehört ja zusammen.
Immerhin hatte Gasisulin so viel zu leben, daß er nicht verhungerte. Wenn er einmal zu großen Hunger hatte, wußte er, wo sein Vorgesetzter, der Pope Tigran, seine Vorräte aufbewahrte. Als Küster hat man da viele Möglichkeiten; und wer merkt schon, wenn ein Äpfelchen fehlt oder ein Scheibchen Speck?
Dieser Vitali Jakowlewitsch also schob sich jetzt an Tigran heran und zeigte auf das Haus. Der Pope ahnte Unangenehmes und runzelte die Stirn.
»Stimmt es«, fragte Gasisulin in seiner stillen, bescheidenen Art, »daß der Genosse Ingenieur jetzt tot ist?«
»Es ist anzunehmen«, antwortete Tigran betrübt.
»Dann braucht er einen Sarg!«
»Als Christenmensch, natürlich!«
»Auch wenn schon ein Arm und ein Fuß weggeflogen sind! Halten wir das fest, Väterchen. Er bekommt einen schönen Sarg. Wer bezahlt ihn? Wo kann man seine
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