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Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Titel: Natalia, ein Mädchen aus der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Anastasias Haus stürzten der Geologe, Grigori und Konstantin; Jefim hatte sie alarmiert.
    »Da … der Genosse Ingenieur …«, hatte er gestottert und war wieder weg.
    »Er lebt!« stammelte Konstantin ergriffen. »Er lebt tatsächlich! Unbegreiflich …«
    Tassburg blickte um sich und kam dann langsam näher. Ein paar Frauen schrien auf und rannten weg, als käme der Leibhaftige in ihre Nähe. Gasisulin atmete hörbar auf. Es gab zwar keinen neuen Sarg – aber er brauchte sich auch um die Gräber keine Sorgen zu machen.
    »Was ist denn hier los?« rief Tassburg mit lauter Stimme, als selbst die Männer vor ihm zurückwichen, je näher er ihnen kam. »Feiern wir irgendein Fest?«
    »Ihre Auferstehung, Michail Sofronowitsch!« rief der Geologe. Er lachte rauh und stapfte Tassburg entgegen. »Wieso haben Sie keinen aufgeschlitzten Hals, he?«
    »Warum sollte ich das?«
    »Man erwartet es von Ihnen! Nach den Ereignissen der vergangenen Nacht …«
    »Welche Ereignisse?« Tassburg blickte sich wieder um. Die Leute von Satowka hatten ihn jetzt umringt, aber der Kreis war so groß, daß einige Meter freier Raum blieb.
    »Bei Ihnen war der Teufel los!« sagte der Geologe.
    »Unmöglich! Ich habe bestens geschlafen.«
    »Gesungen haben sie!« schrie Jefim. »Sogar zweistimmig! Mit unmenschlichen Stimmen …«
    »Wir … wir alle haben es gehört …«, stammelte Gasisulin. »Und Sie haben wieder nichts … wie damals bei dem Feuer …«
    »Seid ihr denn alle verrückt?« Tassburg sah hinüber zu den Teekesseln und den abseits stehenden Frauen mit Eierkuchen auf großen Holztellern. »Es wird also doch etwas gefeiert, was? Bei Tee und Pfannkuchen? Petrow, was ist los? Ihr benehmt euch alle so merkwürdig …«
    Es gab kein Ausweichen mehr. Als Dorfsowjet ist man verpflichtet, mutig zu sein. Vorbild sein! sagt die Partei. Aber weder die Partei noch Lenin hatten jemals etwas mit 150 Jahre alten Geistern zu tun …
    »Genosse Michail Sofronowitsch«, erwiderte Petrow heiser und trat sogar näher an Tassburg heran. »Ich überzeuge mich, daß Sie leben und kerngesund sind. Das grenzt an Wunder! Das ganze Dorf – mit Ausnahme von zwei Urgroßmütterchen, die zu schwach waren – hat erlebt, daß in Ihrem Haus heute nacht eine Teufelshochzeit stattgefunden hat!«
    »Eine – was?« fragte Tassburg mit perfekt gespielter Betroffenheit.
    »Der Pope und der Doktor sind spurlos verschwunden. Und die ganze Nacht über war Ihr Haus hell erleuchtet, dann sang eine Satansstimme den Eingangschoral der Trauungszeremonie …«
    »Ja, das stimmt! Ich habe es genau gehört und erkannt!« schrie der fromme Luka Serafinowitsch, der dreimal geheiratet hatte und daher Experte war.
    »Und dann sang eine zweite, hellere, noch teuflischere Stimme … und später … später …« Petrow wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er glühte vor Erregung. »Später sangen sie sogar zweistimmig!«
    »Sogar ein Halleluja!« kreischte Jefim dazwischen.
    »Unmöglich!« Tassburg wischte sich über die Augen. »Im Haus war alles still und dunkel. Ich habe geschlafen – bei dem geringsten Laut wache ich doch sonst auf …«
    »Aber wir alle«, stammelte Gasisulin, »ich auch … wir haben es gehört und das Licht im Haus gesehen, ganz hell! Und er schläft und hört nichts … und lebt … aber wir alle … O Gott! Wie sieht es bei Ihnen im großen Zimmer aus, Michail Sofronowitsch?«
    »So, wie ich es beim Zubettgehen verlassen habe. Bevor ich jetzt eben vor die Tür kam, habe ich das Feuer angefacht. Gleich kocht mein Teewasser.«
    Es stimmte. Aus dem Kamin quoll dichter Rauch und stieg weiß leuchtend in den grauen Schneehimmel. Da kaum ein Wind wehte, sah der Rauch wie eine Säule aus, die aus dem Schornstein wuchs.
    »Es herrschte also keine Unordnung?« fragte Petrow mit zugeschnürter Kehle.
    »Nein.«
    »Kein Blut auf dem Boden oder an den Wänden?«
    »Nicht daß ich wüßte! Warum auch?« Tassburg lachte laut und schlug die Arme um den Körper. Ihm wurde langsam kalt nur in Hemd und Hose. »Ach – die Gräfin Albina? Genossen, die habe ich nur zu Anfang ein paarmal gesehen, gleich nachdem ich hier eingezogen war. Seitdem habe ich Ruhe.«
    »Moment!« mischte sich der Geologe ein. Er kratzte sich mit dem Pfeifenstiel den Haaransatz. »Was haben Sie da gesagt, Michail Sofronowitsch? Sie haben diese seit einhundertfünfzig Jahren tote Gräfin …«
    »Gesehen – und wollte sie anfassen … da zerrann sie und auf meiner Hand blieb rotes Wasser

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