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Natascha

Natascha

Titel: Natascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bär!«
    Luka sah kritisch auf den Berg Kohlen vor sich und auf das aufgerissene Feuerloch der Lok. Dann begann er zu schaufeln, und es war, als räume ein haushoher Bagger die Kohlen in den Leib der Lokomotive. Nicht lange dauerte es, und die Kohlen quollen wieder heraus. Das erstaunte Luka … er stieß die Schaufel in das Feuerloch und preßte die Kohlen hinein, so wie man sauren Kohl in ein Holzfaß stampft.
    »Er zerdrückt mir die Lokomotive!« wimmerte der Lokführer und warf seine Mütze vor Entsetzen aus dem Fenster. »Er zersprengt mir den Kessel, der Unmensch! Halt ein! Halt ein, Genosse … die Lokomotive platzt …!«
    »Ich war ein Schafskopf!« sprach Luka und warf die Schaufel in den Tender zurück. »Ein leichtes Leben habt ihr Schmarotzer! Ein bißchen Kohlen ins Feuerchen, und schon läuft das Bähnchen. Und dafür bekommt ihr einen so dicken Lohn?! Eine Schande ist's wahrhaftig!«
    Von da ab sah er aus dem Fenster, bis der Zug nach vielen Stunden wieder hielt. Er ging zurück zum Abteil Nataschas und setzte sich brummend auf seinen Platz.
    »Wo warst du?« fragte sie.
    »Auch unser Sozialismus hat Fehler«, sagte Luka dumpf. »Ich hab's soeben gemerkt. Zwei Scheffel hat man, mit denen man abwiegt.«
    Dann lehnte er sich zurück, drückte den Hinterkopf an die Wand und begann zu schlafen.
    Tumanow sah sie beide an, die zarte, kleine Natascha und den Riesen Luka. Nur in Rußland ist so etwas möglich, dachte er. Rosen und Mammutbäume wachsen dort nebeneinander, und die Sonne bescheint sie beide gleich freundlich.
    Ewiges Rußland, dachte er ergriffen. Wenn wir dich nicht so lieben würden, Mütterchen –
    In Moskau kamen sie auf der Leninstation an, und Luka sah sich um, ob ein Gepäckträger zur Stelle war. Das war nicht der Fall, denn ein guter Proletarier trägt seinen Reisesack selbst.
    »Wie kurzsichtig sie sind«, sagte Luka. »Auf der Straße liegt das Geld herum, und sie heben es nicht auf! Wenn ich mein Pferdchen hole, werde ich es wieder tun, das Gepäckfahren. Manches Rubelchen hängt daran! Und meine Konzession hab' ich noch!« Er klopfte auf seine Brust.
    Waleri Tumanow sah sich um. Sie wurden erwartet, er wußte es. Anatoli Doroguschin, der Operndirektor von Moskau, hatte versprochen, seinen Dienstwagen zu schicken. Luka holte die Koffer und den fast leeren Verpflegungssack aus dem Abteil. Unruhig war er, der Riese, und ungeduldig wie ein überwintertes Pferd, das den Frühling riecht.
    Ein Mann in einer blauen Mütze drängte sich durch die Reisenden, die zum Ausgang strömten. Er winkte mit beiden Armen und schwenkte dann seine Mütze, als er Tumanow bemerkte.
    »Da ist er«, sagte Tumanow. »Wo werden wir wohnen?« fragte er den Fahrer, der zwei Koffer in die Hände nahm, nachdem er Natascha und den Professor begrüßt hatte.
    »Im Hotel ›Moskwa‹, Genossen.« Er schielte zu Luka und hob die Schultern. »Aber nur zwei Zimmer sind bestellt.«
    »Wozu brauch ich mehr als eins, Brüderchen?« sagte Luka. »Oder ist es neu in Moskau, daß jedes Körperteil auch sein Zimmerchen hat?«
    Tumanow schwieg. Er hatte sich vorgenommen, die wenigen Tage bei Doroguschin zu übernachten. Unmöglich war's ja, Luka zu erklären, daß man an ihn nicht gedacht hatte. Es war möglich, daß er die Einrichtung des Hotels demolierte, und ein Skandal war nicht angebracht. Eine internationale Kommission tagte in Moskau, und vier Präsidenten wohnten im ›Moskwa‹.
    »Ihn bekomme ich aber nicht in meinen Wagen!« sagte der Fahrer und zeigte auf Luka. »Er macht mir die Sitze und das Dach kaputt! Und es ist ein Staatswagen, Genossen! Ich bin verantwortlich dafür!«
    »Keine Sorgen um mich!« sagte Luka. Er warf seinen Eßsack über den Rücken und zwinkerte Natascha zu. »Von Saratow nach Khuzhir war's weiter, als von hier bis zum Hotel. Man wird den Weg schon finden. Sieg und Frieden, Genossen!«
    Er humpelte über den Bahnsteig und entschwand durch einen Quergang den Blicken.
    »Fahren wir schnell!« sagte Tumanow ahnungsvoll. »Wir müssen vor ihm im Hotel sein! Ein wenig Vorbereitung wäre nützlich. Schließlich ist's ein gutes Hotel … das beste in Moskau.«
    Sie kamen eine Minute früher als Luka an. Ein großes Glück war das, denn schon beim Ausladen der Koffer vernahm man aus Richtung der Moskworetsky-Brücke einen unschönen Lärm, der sich anhörte wie das Brüllen gereizter Löwen. Die Leute blieben stehen und rissen die Augen auf, und auch der Direktor des Hotels, der Tumanow am Wagen

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