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Natascha

Natascha

Titel: Natascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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rauschte auseinander. Fürst Galitzky sang seine große Arie, sein blutvoll, prall-fröhliches Lied vom Sinn des Lebens, wie er es sah:
    »Ei – ja so ist's: Ich haß die Langeweile. Verhüt es Gott, daß ich ein Leben führ wie Igor.
Mein Herz sehnt sich nach Lust,
nach echtem Fürstenleben
mit jungen Mädchen, Spiel und Wein –«
    Doroguschin nickte wohlgefällig. » Wassja Oserki «, sagte er leise zu Tumanow. »Unser bester Baß! Vielleicht wird er einmal das Erbe Schaljapins antreten … meine Entdeckung übrigens.«
    »Gratuliere, Genosse. Eine Stimme wie eine Orgel, fürwahr. Aber Natascha ist ein Engel –«
    Sie war es. Schon als sie stumm die Bühne betrat, spürte Doroguschin den Zauber, der ihn ergriff. Und plötzlich hatte er Angst um sie. Bei Gott, ich könnte weinen, wenn ihre Stimme nicht so ist, wie wir es erhoffen. Bestimmt, in Tränen breche ich aus … und wiegen möchte man sie wie ein zartes Kindchen in seinen Armen … Doroguschin zählte die Takte, bis ihr Einsatz kam … dann hielt er den Atem an.
    Wenn Unwirkliches wahr wird, sagt der Mensch, es sei ein Wunder geschehen. Doroguschins sowjetische Weltanschauung, die Wunder ablehnte, erhielt einen inneren Bruch, als er die Stimme Nataschas hörte. Wie kann ein Mensch nur so singen, dachte er immer und immer wieder. Unmöglich ist's … unglaublich, wenn man's erzählt. Aber ich höre es … bei Gott, ich sitze inmitten dieser Töne und bin selbst verzaubert in einen Ton, der schwerelos durch den Raum schwebt.
    Waleri Tumanow saß mit geschlossenen Augen neben Doroguschin. Zwei Jahre lang hatte er die Stimme Nataschas gehört, sie war ihm vertraut wie seine eigene … und doch erlag er immer wieder dem Phänomen, das aus der kleinen, zarten Kehle dieser Frau klang.
    In der Seitenkulisse, neben dem Inspizienten, stand Luka. Er nickte mehrmals und legte dem Mann in dem weißen Mantel seine Tatze auf die Schulter.
    »Ist's schön, Brüderchen?« forschte er.
    »Halt's Maul!« Der Inspizient lehnte an seinem Pult und lauschte atemlos dem Gesang.
    »Hast du schon einmal eine solche Stimme gehört, du ekliger Wurm?!« brummte Luka.
    »Nein!« Der Inspizient winkte ab. Zufrieden stampfte Luka zurück zur Garderobe.
    In der Pause zum zweiten Akt war Anatoli Doroguschin sehr still und in sich gekehrt. Er hatte Tumanow wortlos auf beide Backen geküßt, und das war mehr als alle Worte. Was sollte man auch sagen! Was war ein Lob noch wert? Einen Blick in Niegewesenes hatte man getan, und es war schwer, zurückzufinden in die eigene Welt.
    Endlich fragte Doroguschin leise: »Sie hat also diesen Ingenieur Sedow geheiratet?«
    »Ja.« Tumanow wiegte den Kopf. »So schön sie singt, so trotzig ist sie auch! Aber zusammen gehört's … was wäre Natascha ohne ihre Wildheit?!«
    »Und sie haben Hochzeit gefeiert … so wie es sein soll …?«
    »Ja. Eine Woche haben sie zusammen gelebt. Sie glaubt, daß sie ein Kind bekommt.«
    »Es wäre möglich, oder nicht, Genosse?«
    »Natürlich wäre es möglich. Es wird sich herausstellen …«
    »Und dann«?
    Tumanow hob wieder die Schultern. »Ich weiß nicht. Es ist nicht meine Schuld. Manchmal sind auch Befehle des Kreml ein wenig unverständlich, Genosse. Es wäre gut gewesen, Sedow mit ihr zusammenzulassen.«
    Doroguschin wölbte die dicke Unterlippe vor. Wie ein singender Frosch sah er aus, der Dicke. »Natascha gehört nicht mehr einem Mann allein. Sie ist ein Volksvermögen geworden. Begreifen Sie das, Genosse Tumanow?! So wie die Fabriken dem Volke gehören, die Kolchosen, die Geschäfte, so gehört jetzt auch Natascha allen! Und das mit dem Kinde … das kann man regeln. Ich werde mit dem Volkskommissar des Gesundheitswesens sprechen. Eine Kleinigkeit ist's …«
    »Was haben Sie vor, Genosse?!« rief Tumanow und sprang auf. Doroguschin ergriff ihn am Ärmel und zog ihn auf den Sitz zurück.
    »Sie sind ein aufgeregter Mensch, Genosse. Man wird den herrlichsten Edelstein Rußlands doch nicht zertrümmern. Wo denken Sie hin –«
    »Wenn Sedow etwas zustößt … ich glaube nicht …«
    »Sedow!« Doroguschin winkte ab. »Wer kümmert sich um ihn?! Ein Läuschen ist er, der in fremden Pelzen herumkriecht. Halten Sie uns für blöd, Genosse? Warten wir ab, was geschieht –«
    Eigentlich geschah nicht viel. Die Oper ging zu Ende, Doroguschin rannte auf die Bühne und küßte Natascha wie ein wilder Reiter, der heimkehrt aus einem langen Krieg. Luka sah es befriedigt, und da er ab jetzt ein vornehmer Mann zu

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