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Natascha

Natascha

Titel: Natascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Solls befohlen worden, landwirtschaftliche Jahrespläne mußten erfüllt werden, und – der Teufel hol's – es mußte auch noch so viel übrigbleiben, um die eigenen, nicht sichtbaren Geschäfte zu finanzieren. Woraus man sieht, daß Washa Igorowitsch ein schweres Leben hatte und abends heimlich stöhnte und ab und zu in seinem eigenen Angstschweiß schwamm.
    Das Erscheinen Lukas war wie ein Anklopfen des Jüngsten Gerichtes. Washa Igorowitsch trank gerade eine Tasse mit dicker Milch, als die Tür fast aus den Angeln sprang und Luka mitsamt seinem Sack voll Möhren und Rüben in die gute Stube trat.
    »Es lebe die Revolution!« schrie Luka und hieb mit der Faust auf den Tisch. »Genosse Washa Igorowitsch, da bin ich wieder! Ein Wiedersehen ist's, was? Gut siehst du aus, Brüderchen. Na ja, wen wundert's … leckt erst die Schinken ab, ehe er sie weitergibt, haha!«
    Washa Igorowitsch schob seine Tasse mit saurer Milch zur Seite und kraulte sich die rechte Kniescheibe.
    »Was soll's, Genosse? Was wollt Ihr? Habt Ihr im Sack etwas zu verkaufen?«
    Luka sah den Natschalnik entgeistert an. »Er erkennt mich nicht mehr, das feiste Wänzchen!« rief er. »Luka bin ich … und zu meinem Pferdchen will ich! Du sollst sehen … es wird mich gleich wiedererkennen –«
    Washa Igorowitsch schnaufte durch die Nase. »Welches Pferdchen, Genosse Luka?« fragte er.
    »Hat man so etwas schon gehört?! Vor zwei Jahren hab' ich dir ein Pferdchen zur Pflege gegeben! Wie kann ein Mensch so wenig Hirn haben! Komm mit … ich zeig dir den Stall, wo's steht –«
    »Ach so, das Pferdchen. Natürlich, wie kann man es vergessen, Genosse. Ganz klar erinnere ich mich. Das kleine, struppige Pferdchen –«
    »Gehen wir zu ihm!« jubelte Luka und warf den Sack mit Möhren und Rüben über die Schulter.
    »Es ist schwer zu finden«, sagte Washa Igorowitsch mit verzweifeltem Mut. »Es ist tot –«
    Aus Lukas Fingern glitt der Sack. Wie eine ausgeblasene Kerze waren seine Augen. Es rauchte in ihnen.
    »Was ist es?« fragte er leise.
    »Tot –«
    Luka beugte sich vor. Washa Igorowitsch juckten die Haarwurzeln. Mit beiden Händen, mit allen zehn Fingern kratzte er sich.
    »Du mußt es wiederholen, Brüderchen –«, sagte Luka langsam. »Ich begreife es nicht. Was ist es?«
    »Tot, Genosse! Umgefallen. Eines Morgens lag es auf der Weide, die Beinchen nach oben. Oh, oh, haben wir alle gesagt. Was hat's gehabt, das gute Tierchen?! Und so ohne Anzeichen … fällt einfach um und ist tot. Tut man so etwas, Genosse? Sagt's ehrlich! Das ist gegen jede Erfahrung …«
    »Tot!« sagte Luka leise. O je, dachte Washa Igorowitsch. Wie seine Augen groß werden, wie Handteller. Zeit ist's, aus der Nähe dieses Ungeheuers zu kommen.
    Er erhob sich schnell, nahm einen Anlauf und rannte an Luka vorbei aus dem Zimmer.
    »Tot!« brüllte Luka. »Mein kleines, süßes Pferdchen! Umgebracht habt ihr's! Nichts zu fressen hatte es! Ist ja nur ein struppiger, räudiger Gaul, habt ihr gedacht. Und wiederkommen wird der Luka auch nicht. Also gut – lassen wir's verrecken und stecken den Hafer in die eigene Tasche. Ihr Schweinepest! Ihr Mißgeburten! Ihr Hurensöhne!«
    Er trat den Sack mit Rüben und Möhren zur Seite, daß er gegen den Schreibtisch des Natschalniks prallte und ihn umstürzte. Dann riß er die Tür aus den Angeln, stürzte hinter Washa Igorowitsch her und rannte, so gut er es mit seinem lahmen Fuß konnte, der flüchtenden Gestalt nach.
    »Ich zerreiße dich!« schrie er. »Mit dem Kopf zuerst stampf ich dich in die Erde! Bleib stehen, Genosse!«
    Washa Igorowitsch rannte um sein Leben. Sein Darm zuckte, und er drückte beide Hände auf den Bauch. Ein paarmal blickte er sich um und sah den Riesen hinter sich hertaumeln, mit den großen Beinen dreimal soviel mit einem Schritt zurücklegend wie Washa mit zwei Sprüngen.
    »Hilfe!« brüllte Washa grell und warf die Arme hoch. »Hilfe, Genossen! Rettet mich vor dem Ungeheuer! Umbringen will er mich! Umbringen! Einen guten Sowjet! Genossen, zu Hilfe!«
    Aus den Ställen kamen einige Bauern, und eine Schar Frauen sammelte sich vor dem Tor des Gemüselagers an. Washa Igorowitsch winkte mit beiden Armen und wackelte verzweifelt mit dem schweißbedeckten Kopf.
    »Haltet ihn auf, Freunde!« brüllte er und rannte weiter. »Nur wegen eines Gaules will er mich töten!«
    Die Bauern betrachteten den Riesen, der humpelnd und keuchend dem Natschalnik nachsetzte.
    »Verlaßt mich nicht, Genossen!« schrie Washa und

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