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Natascha

Natascha

Titel: Natascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Natascha, mein werdendes Mütterchen … vielleicht hast du eine Frau, und sie heißt Else oder Anna und wartet auf dich wie meine Natascha … Eine wird ewig warten müssen … Bestimmt, Brüderchen … es ist Wahnsinn, ich weiß es …
    Nur ein Augenzwinkern lang standen sie sich gegenüber. Dann hob der kleine deutsche Soldat seinen scharfgeschliffenen Spaten, das stählerne Blatt blitzte in der Sonne … Fedja Iwanowitsch stieß seine Maschinenpistole empor, mit der runden Patronentrommel wehrte er den Schlag ab … dann sahen sie sich wieder an, voll Angst und wildem Grauen und voller Ausweglosigkeit.
    Mit dem nächsten Spatenhieb wurde Fedjas blondes Haar geteilt. Der Stahl drang durch seine Hirnschale, zertrennte den Schädel, und Blut und Hirnwasser und weißes Gehirn quollen hervor und sickerten über das junge, zuckende Gesicht. Dann fiel Fedja Iwanowitsch Astachow in den Staub, der Körper zuckte noch einmal und bog sich dann, als wolle er geruhsam schlafen.
    Einen kurzen Blick warf der kleine, keuchende deutsche Soldat auf den Russen zu seinen Füßen, dann sprang er über ihn hinweg, hob wieder den Spaten, schwang ihn über seinen Kopf und rannte weiter.
    »Hurra!« brüllte er. »Hurra – hurra …!«
    Das Regiment des Majors Prokopenkow bestand nicht mehr, fünf Tage nach seinem Einsatz.
    In der Nacht kroch Luka über das Leichenfeld und suchte seinen Leutnant.
    Die Panzerspitze der Deutschen war weitergerollt, unaufhaltsam wie ein Steppenbrand. Nachdem er drei Deutsche erschlagen hatte, sah Luka ein, daß man mit einer Eisenkiste keinen Krieg gewinnen konnte. Er ließ sich unter einen deutschen Soldaten fallen, zog den toten Körper halb über sich, schloß die Augen und riß den Mund weit auf. So lag er eine ganze Weile, bis die deutschen Truppen an ihm vorbeigestürmt waren. Als die Nacht kam, rollte er den Toten weg, stand auf, reckte die Glieder und ging daran, über das Land zu kriechen.
    Von Körper zu Körper kroch er, drehte sie herum, wischte mit seiner breiten Hand das Blut aus ihren Gesichtern und starrte sie an. Endlich, an einem Busch, fand er Fedja Iwanowitsch Astachow. Gehirn und Blut waren geronnen und lagen um seinen gespaltenen Kopf wie ein Turban.
    »Brüderchen …«, sagte Luka leise. Er kniete nieder, senkte den Kopf auf die Brust und weinte. Dann betete er … aus dem dunklen Grund seiner Seele, verstaubt und angemodert, quollen die Gebete herauf, die er von seiner Mutter gehört hatte. Damals, in der Hütte bei Stepanowka am Asowschen Meer. Schon als er sechs Jahre war, hatte er sie ausgelacht und sie eine reaktionäre Alte genannt.
    Und nun kniete er vor seinem Leutnant Fedja Iwanowitsch, weinte und betete die Gebete seines Mütterchens von Stepanowka.
    Welch ein Bolschewist bist du doch, Luka, dachte er später, als er Fedja mit einem deutschen Spaten begraben hatte. Direkt unter dem Busch. So hat er ein schönes, immer größer werdendes Grabmal, dachte Luka. Breit und kräftig wird der Busch einmal werden, und ich werde sagen können zu Fedjas Kind: Sieh, das ist Fedja, dein Vater! Unsterblich ist er, der Held. Die Bauern holen Holz von ihm, und die Vögel nisten in seinen Zweigen, und der Fuchs versteckt sich unter ihm vor den Jägern. Sei stolz auf dein Väterchen …
    Als der Morgen aufdämmerte, warf Luka alles, was unwichtig war, von sich. Nur eines tat er noch, und man muß es ihm verzeihen … er ging von Toten zu Toten, untersuchte ihre Taschen und Brotbeutel und sammelte alles, was zu essen war. Einen kleinen Sack voll bekam er zusammen. Mit diesem setzte er sich auf den Hügel neben einen ausgebrannten deutschen Panzer, trank ein paar Schlucke aus einer deutschen Feldflasche, aß dann aus dem zusammengesammelten Sack die besten Brocken heraus und dachte daran, wie schön es wäre, wenn Fedja Iwanowitsch diese Köstlichkeiten mit ihm teilen könnte, statt ein großer, kräftiger Busch zu werden. Dann schlief er traurig, aber satt ein.
    So fand ihn der Vortrupp der nachrückenden deutschen Division.
    Er erklärte ihn für gefangen und transportierte ihn mit einem hopsenden Wagen zurück zu einem Sammellager. Seinen Verpflegungssack durfte er nicht mitnehmen, im Gegenteil, man schlug ihn ihm um den dicken, pendelnden Schädel.
    »Der Krieg ist eine böse Sache, Genossen!« sagte Luka, als er in das Sammellager gestoßen wurde. »Die kleinsten Menschenrechte werden einem aberkannt –«
    Am Morgen, der dem Abtransport Fedjas folgte, packte Natascha Astachow ihre

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