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Natascha

Natascha

Titel: Natascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Durcheinander sein dort vorn.«
    Die Reden Anatolis waren nicht dazu geeignet, Natascha aufzuheitern. An Fedja dachte sie, der vielleicht in deutsche Hände fallen konnte. Das krampfte ihr das Herz zusammen, daß sie sich nach vorne beugte und stöhnte. Anatoli schielte zu ihr hin. Stimmt, stimmt, dachte er. Sie hat ja Fedja an der Front. War damals große Sensation in der Sowchose, als der Leutnant heiratete.
    Gegen Mittag überholten sie lange Panzerkolonnen und Lastwagenreihen. Die ersten voraussausenden Motorräder drückten den Karren von der Straße weg auf das Feld. Dort blieb Anatoli stehen, bis die lange Kolonne vorbeigerattert war.
    »230 Panzer«, sagte er, als sich der Staub verflogen hatte. Wie in Mehl getaucht sahen sie aus, Anatoli und Natascha. »Was wollen sie hier? Ich meine, wir sollten schneller fahren … es kann sein, daß wir gar nicht mehr nach Hause kommen …«
    Die alten Panjegäule trabten zurück auf die Straße. Natascha nahm die Zügel und die Peitsche. »Heij!« schrie sie, wie damals, als sie Fedja Iwanowitsch über die Schneesteppe brachte und die Wölfe heulend hinter ihnen herliefen. »Heij … lauft ihr Aussätzigen, ihr Mißgeburten, ihr Hundedreck …«
    Und die müden Pferde keuchten und trabten, stampften unter sich die weiche Straße auf und zogen den schwankenden Karren nach Krassnoje Mowona.
    Je weiter sie westlich kamen, um so mehr veränderte sich die Landschaft. In den Wäldern lagen Panzergruppen und Artillerie, mit Netzen und Zweigen gegen Flugzeuge getarnt. In einem Birkenwäldchen südlich Tatarssk waren Lastwagen zusammengefahren und grüne Zelte spannten sich unter den Baumkronen. Offiziere in weißen Kitteln liefen dazwischen herum. Anatoli riß den Mund auf.
    »Ein Lazarett …«, stotterte er. »Hier?! Was soll das? Ich denke, der Deutsche ist erst bei Minsk …?«
    Eine halbe Werst weiter vom Lazarett entfernt arbeitete eine Kompanie Strafsoldaten. Sie hoben eine lange Grube aus, und an diese Grube fuhren Lastwagen heran und kippten einen Berg von Leichen hinein. Ein anderer Wagen schüttete Chlorkalk darüber, und dann schippten die Strafsoldaten wieder die Grube zu. Zwei Panzer drehten sich und walzten die Gräber glatt. Über die Hauptstraße von Monastyrschtschina fuhr Wagen an Wagen, eine braungrüne Riesenraupe, die durch das Land kroch, mit Tausenden von Augen und Tausenden von stampfenden Füßen.
    Anatoli und Natascha starrten zu ihnen hinüber. Der Wald war zu einem Teil verbrannt. Stämme lagen geknickt und abgerissen neben der Straße. Krater mit glucksendem Grundwasser hatten selbst den Feldweg unterbrochen, über den ihr Karren holperte. Mit verrenkten Gliedern, staubverkrustet, lagen einige Körper daneben. Anatoli schluckte.
    »So was, so was!« stammelte er. »Begreifst du das, Täubchen?!«
    In Natascha war unbeschreibliche, panische Angst. Sie hieb auf die müden Gäule ein und schrie, schrie … »Dawai! Dawai!«
    Von der Straße nach Krassnoje Mowona bog Natascha ab und raste auf den elterlichen Hof zu. Schon von weitem sah sie, daß es am Waldrand brannte. Die Scheune stand noch in Flammen, die trockenen Balken, in fast hundert Jahren ausgedörrt, krachten unter der sprühenden Lohe.
    »Mama!« schrie Natascha grell. »Papaschka! Oh! Oh!« Sie schlug auf die Pferde ein, mit dem Peitschengriff, weit vorgebeugt … jetzt sah sie das Haus … ein Berg von rauchenden Balken und zerfetztem Lehm, Hühner rannten gackernd herum, ein Schwein, die Hinterbeine verbrannt, schleppte sich von den Balken weg und schrie, als wolle der Himmel bersten.
    Vor den rauchenden Trümmern hielten die Pferde. In den Seilen brachen sie zusammen, fielen um und rissen den Karren mit zur Seite. Anatoli flog zur Erde, wälzte sich im Staub und brüllte, weil er auf ein glühendes Eisen gefallen war und sich die linke Hand verschmorte.
    Natascha rannte zu der Scheune. Aus den Flammen hörte sie das Schreien eines Pferdes. »Ilja!« schrie sie. »Natalja! Ich komme! Ich komme!«
    In die Wasserrinne, in der sich die Kühe ihr Wasser holten, sprang sie hinein, wälzte sich im Wasser und rannte dann in die Flammen hinein. Es zischte um sie, als sei sie ein Wassertropfen, der vom Feuer aufgesaugt werden wollte … Ilja lag verbrannt auf dem Boden, aber Natalja zerrte an der Kette und trat gegen einen Balken, der unter ihr lag und das Bauchfell versengte. Mit einem Hammer schlug Natascha die Kette vom Haltering, warf sich dann auf den Rücken Nataljas, klammerte sich an die

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