Nathalie küsst
ihre Lippen. In Wahrheit hatte sie sich diesen Moment erträumt, wollte von ihrem Mann berührt werden, wollte, dass er nicht mehr an ihr vorbeiging und so tat, als ob sie gar nicht existierte. In ihrem täglichen Umgang übten sie den Untergang. Sie wechselten kein Wort, als sie sich ins Schlafzimmer begaben. Das Bett, das schon gemacht war, wurde plötzlich wieder durcheinandergebracht. Charles drehte Laurence herum und zog ihren Slip herunter. Die Abfuhr, die er von Nathalie erhalten hatte, hatte in ihm die Lust geweckt, mit seiner Frau zu schlafen, sogar, sie ein bisschen hart ranzunehmen.
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Die Erstligaergebnisse des Abends,
an dem Charles klar wurde, dass er Nathalie nie gefallen würde
A J Auxerre – Olympique Marseille
2 : 2
RC Lens – OSC Lille
1 : 1
FC Toulouse – FC Sochaux
1 : 0
Paris SG – FC Nantes
1 : 1
Grenoble Foot 38 – Le Mans FC
3 : 3
AS Saint-Etienne – Olympique Lyon
0 : 0
AS Monaco – OGC Nice
0 : 0
Stade Rennes – Girondins Bordeaux
0 : 1
AS Nancy – SM Caen
1 : 1
FC Lorient – Le Havre AC
2 : 2
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Nach diesem Abendessen war das Verhältnis zwischen Nathalie und Charles nicht mehr das Gleiche. Charles zog sich zurück, was für Nathalie nur allzu verständlich war. Ihr nicht gerade sehr lebhafter Austausch beschränkte sich nunausschließlich aufs Berufliche. Die Aufsicht über die jeweiligen Akten bedurfte selten einer vermittelnden Hand. Seit ihrer Beförderung leitete Nathalie ein Team, das sich aus sechs Leuten zusammensetzte.[ 1 ] Sie war in ein anderes Büro umgezogen, und das war ihr sehr gut bekommen. Wieso hatte sie diese Idee nicht früher gehabt? Reichte es, das Dekor auszutauschen, um die Gemütsverfassung aufzuhellen? Womöglich sollte sie über einen Wohnungswechsel nachdenken. Doch kaum hatte sie diese Möglichkeit in Betracht gezogen, begriff sie, dass sie dazu nicht in der Lage wäre. Die Trauer erzeugt zwei sich widerstrebende, unüberwindliche Kräfte, die die Notwendigkeit von Veränderung wie das morbide Bedürfnis, an der Vergangenheit festzuhalten, gleichermaßen antreiben. Sie würde es also dem Berufsleben überlassen, sich der Zukunft zuzuwenden. Ihr neues Büro, das im obersten Stockwerk des Gebäudes lag, ragte fast in den Himmel hinein, und sie war froh, dass sie keine Angst vor Abgründen hatte. Endlich einmal etwas, was sie unter Genuss einfacher Freuden verzeichnen konnte.
Die folgenden Monate standen im Zeichen einer anhaltenden unzähmbaren Arbeitswut. Sie hatte sogar überlegt, ob sie Schwedisch-Unterricht nehmen sollte, für den Fall, dass man ihr neue Aufgaben übertrug. Man konnte aber nicht behaupten, dass es der Ehrgeiz war, der sie drängte. Sie versuchte lediglich, sich mit Akten zu betäuben. Die Bekannten und Kollegen machten sich weiter Sorgen und hielten ihre exzessiveArbeitsweise für eine Spielart einer Depression. Diese Mutmaßung ärgerte sie maßlos. Für sie stellte sich die Lage eindeutig dar: Sie wollte nun einmal viel arbeiten, um nicht denken zu müssen, um in kein Loch zu fallen. Sie kämpfte mit allen Mitteln, und es hätte ihr gefallen, wenn die Menschen, die ihr nahestanden, ihr in ihrem Kampf zur Seite gestanden hätten, anstatt nebulöse Theorien zu entwickeln. Sie war stolz auf das, was sie erreichte. Sie ging sogar am Wochenende ins Büro, nahm sich die Arbeit mit nach Hause und vergaß darüber die Zeit. Der Moment, an dem sie vor Erschöpfung zusammenbrach, würde sich zwangsläufig einstellen, doch fürs Erste war es allein dieses schwedische Adrenalin, dem sie die Fortschritte, die sie machte, zu verdanken hatte.
Alle waren von ihrer Energie beeindruckt. Da sie nicht die geringste Schwäche zeigte, begannen die Kollegen zu vergessen, was sie durchgemacht hatte. Für diese existierte François nur noch in einer verschwommenen Erinnerung, und vielleicht konnte sich diese Sicht auch auf Nathalie übertragen. Vor allem den Mitarbeitern ihres Teams stand sie aufgrund der vielen Zeit, die sie im Büro verbrachte, jederzeit zur Verfügung. Die Jüngste in diesem Bunde war Chloé, die auch als Letzte zur Gruppe hinzugestoßen war. Sie war sehr erpicht darauf, sich Nathalie anzuvertrauen, und berichtete vornehmlich von ihren Sorgen mit ihrem Verlobten und ihrer ständigen Angst: Denn sie war ungeheuer eifersüchtig. Sie wusste, die Eifersucht war vollkommen unbegründet, aber sie verlor leicht die Kontrolle und schaffte es nicht, eine vernünftige Haltung an den Tag zu legen. Da geschah etwas
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