Nathan der Weise
war ich nicht ganz Ohr, sooft es dir
Gefiel, von deinen Glaubenshelden mich
Zu unterhalten? Hab ich ihren Taten
Nicht stets Bewunderung; und ihren Leiden
Nicht immer Tränen gern gezollt? Ihr Glaube
Schien freilich mir das Heldenmäßigste
An ihnen nie. Doch so viel tröstender
War mir die Lehre, daß Ergebenheit
In Gott von unserm Wähnen über Gott
So ganz und gar nicht abhängt. - Liebe Daja,
Das hat mein Vater uns so oft gesagt;
Darüber hast du selbst mit ihm so oft
Dich einverstanden: warum untergräbst
Du denn allein, was du mit ihm zugleich
Gebauet? - Liebe Daja, das ist kein
45
Gespräch, womit wir unserm Freund’ am besten
Entgegensehn. Für mich zwar, ja! Denn mir,
Mir liegt daran unendlich, ob auch er …
Horch, Daja! - Kommt es nicht an unsre Türe?
Wenn Er es wäre! horch!
ZWEITER
AUFTRITT
Recha. Daja und der Tempelherr, dem jemand von außen die Türe öffnet, mit den Worten: Nur hier herein!
RECHA.
(fährt zusammen, faßt sich und will ihm zu Füßen fallen) Er ist’s! - Mein Retter, ah!
TEMPELHERR.
Dies zu vermeiden
Erschien ich bloß so spät: und doch -
RECHA. Ich
will
Ja zu den Füßen dieses stolzen Mannes
Nur Gott noch einmal danken; nicht dem Manne.
Der Mann will keinen Dank; will ihn so wenig
Als ihn der Wassereimer will, der bei
Dem Löschen so geschäftig sich erwiesen.
Der ließ sich füllen, ließ sich leeren, mir
Nichts, dir nichts: also auch der Mann. Auch der
Ward nur so in die Glut hineingestoßen;
Da fiel ich ungefähr ihm in den Arm;
Da blieb ich ungefähr, so wie ein Funken
Auf seinem Mantel, ihm in seinen Armen;
Bis wiederum, ich weiß nicht was, uns beide
Herausschmiß aus der Glut. - Was gibt es da
Zu danken? - In Europa treibt der Wein
Zu noch weit andern Taten. - Tempelherren,
Die müssen einmal nun so handeln; müssen
Wie etwas besser zugelernte Hunde,
Sowohl
aus
Feuer,
als aus Wasser holen.
TEMPELHERR.
(der sie mit Erstaunen und Unruhe die Zeit über betrachtet) O Daja, Daja! Wenn in Augenblicken
Des Kummers und der Galle, meine Laune
Dich übel anließ, warum jede Torheit,
Die meiner Zung’ entfuhr, ihr hinterbringen?
Das hieß sich zu empfindlich rächen, Daja!
Doch wenn du nur von nun an besser mich
Bei ihr vertreten willst.
DAJA.
Ich denke, Ritter,
Ich denke nicht, daß diese kleinen Stacheln,
Ihr an das Herz geworfen, Euch da sehr
Geschadet
haben.
46
RECHA.
Wie? Ihr hattet Kummer?
Und wart mit Euerm Kummer geiziger
Als Euerm Leben?
TEMPELHERR.
Gutes, holdes Kind! -
Wie ist doch meine Seele zwischen Auge
Und Ohr geteilt! - Das war das Mädchen nicht,
Nein, nein, das war es nicht, das aus dem Feuer
Ich holte. - Denn wer hätte die gekannt,
Und aus dem Feuer nicht geholt? Wer hätte
Auf mich gewartet? - Zwar - verstellt - der Schreck.
(Pause, unter der er, in Anschauung ihrer, sich wie verliert.) RECHA.
Ich aber find Euch noch den nämlichen. -
(Dergleichen; bis sie fortfährt, um ihn in seinem An-
staunen
zu
unterbrechen.)
Nun, Ritter, sagt uns doch, wo Ihr so lange
Gewesen? - Fast dürft’ ich auch fragen: wo
Ihr
itzo
seid?
TEMPELHERR.
Ich bin, - wo ich vielleicht
Nicht sollte sein. -
RECHA.
Wo Ihr gewesen? - Auch
Wo Ihr vielleicht nicht solltet sein gewesen?
Das ist nicht gut.
TEMPELHERR.
Auf - auf - wie heißt der Berg?
Auf
Sinai.
RECHA.
Auf Sinai? - Ah schön!
Nun kann ich zuverlässig doch einmal
Erfahren, ob es wahr …
TEMPELHERR.
Was? was? Ob’s wahr,
Daß noch daselbst der Ort zu sehn, wo Moses
Vor Gott gestanden, als …
RECHA.
Nun das wohl nicht.
Denn wo er stand, stand er vor Gott. Und davon
Ist mir zur Gnüge schon bekannt. - Ob’s wahr,
Möcht’ ich nur gern von Euch erfahren, daß -
Daß es bei weitem nicht so mühsam sei,
Auf diesen Berg hinaufzusteigen, als
Herab? - Denn seht; soviel ich Berge noch
Gestiegen bin, war’s just das Gegenteil. -
Nun, Ritter? - Was? - Ihr kehrt Euch von mir ab?
Wollt mich nicht sehn?
TEMPELHERR.
Weil ich Euch hören will.
RECHA.
Weil Ihr mich nicht wollt merken lassen, daß
Ihr meiner Einfalt lächelt; daß Ihr lächelt,
Wie ich Euch doch so gar nichts Wichtigers
Von diesem heiligen Berg’ aller Berge
Zu fragen weiß? Nicht wahr?
TEMPELHERR. So
muß
Ich doch Euch wieder in die Augen sehn. -
47
Was? Nun schlagt Ihr sie nieder? nun verbeißt
Das Lächeln Ihr? wie ich noch erst in Mienen
In zweifelhaften
Weitere Kostenlose Bücher