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Nathan der Weise

Nathan der Weise

Titel: Nathan der Weise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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Mienen lesen will,

    Was ich so deutlich hör, Ihr so vernehmlich

    Mir sagt - verschweigt? - Ah Recha! Recha! Wie

    Hat er so wahr gesagt: »Kennt sie nur erst!«
    RECHA.
    Wer hat? - von wem? - Euch das gesagt?
    TEMPELHERR. »Kennt
    sie

    Nur erst!« hat Euer Vater mir gesagt;
    Von
    Euch
    gesagt.
    DAJA.
    Und ich nicht etwa auch?

    Ich denn nicht auch?
    TEMPELHERR.
    Allein wo ist er denn?

    Wo ist denn Euer Vater? Ist er noch
    Beim
    Sultan?
    RECHA. Ohne
    Zweifel.
    TEMPELHERR.
    Noch, noch da? -

    O mich Vergeßlichen! Nein, nein; da ist

    Er schwerlich mehr. - Er wird dort unten bei

    Dem Kloster meiner warten; ganz gewiß.

    So red’ten, mein ich, wir es ab. Erlaubt!

    Ich geh, ich hol ihn …
    DAJA.
    Das ist meine Sache.

    Bleibt, Ritter, bleibt. Ich bring ihn unverzüglich.
    TEMPELHERR.
    Nicht so, nicht so! Er sieht mir selbst entgegen;

    Nicht Euch. Dazu, er könnte leicht … wer weiß? …

    Er könnte bei dem Sultan leicht, … Ihr kennt

    Den Sultan nicht! … leicht in Verlegenheit

    Gekommen sein. - Glaubt mir; es hat Gefahr,

    Wenn ich nicht geh.
    RECHA.
    Gefahr? was für Gefahr?
    TEMPELHERR.
    Gefahr für mich, für Euch, für ihn: wenn ich

    Nicht schleunig, schleunig geh. (Ab.)

    DRITTER
    AUFTRITT

    Recha
    und
    Daja.

    RECHA.
    Was ist das, Daja? -

    So schnell? - Was kömmt ihm an? Was fiel ihm auf?
    Was
    jagt
    ihn?
    DAJA.
    Laßt nur, laßt. Ich denk, es ist
    Kein
    schlimmes
    Zeichen.
    RECHA.
    Zeichen? und wovon?
    DAJA.
    Daß etwas vorgeht innerhalb. Es kocht,

    Und soll nicht überkochen. Laßt ihn nur.

    Nun ist’s an Euch.

    48
    RECHA.
    Was ist an mir? Du wirst,

    Wie er, mir unbegreiflich.
    DAJA. Bald
    nun
    könnt

    Ihr ihm die Unruh’ all vergelten, die

    Er Euch gemacht hat. Seid nur aber auch

    Nicht allzu streng, nicht allzu rachbegierig.
    RECHA.
    Wovon du sprichst, das magst du selber wissen.
    DAJA.
    Und seid denn Ihr bereits so ruhig wieder?
    RECHA.
    Das bin ich; ja das bin ich …
    DAJA. Wenigstens

    Gesteht, daß Ihr Euch seiner Unruh’ freut;

    Und seiner Unruh’ danket, was Ihr itzt
    Von
    Ruh’
    genießt.
    RECHA.
    Mir völlig unbewußt!

    Denn was ich höchstens dir gestehen könnte,

    Wär’, daß es mich - mich selbst befremdet, wie

    Auf einen solchen Sturm in meinem Herzen

    So eine Stille plötzlich folgen können.

    Sein voller Anblick, sein Gespräch, sein Ton
    Hat
    mich
    …
    DAJA. Gesättigt
    schon?
    RECHA. Gesättigt,
    will

    Ich nun nicht sagen; nein - bei weitem nicht -
    DAJA.
    Den heißen Hunger nur gestillt.
    RECHA. Nun
    ja:

    Wenn du so willst.
    DAJA.
    Ich eben nicht.
    RECHA. Er
    wird

    Mir ewig wert; mir ewig werter, als

    Mein Leben bleiben: wenn auch schon mein Puls

    Nicht mehr bei seinem bloßen Namen wechselt;

    Nicht mehr mein Herz, sooft ich an ihn denke,
    Geschwinder,
    stärker
    schlägt. - Was schwatz ich? Komm,

    Komm, liebe Daja, wieder an das Fenster,

    Das auf die Palmen sieht.
    DAJA.
    So ist er doch

    Wohl noch nicht ganz gestillt, der heiße Hunger.
    RECHA.
    Nun werd ich auch die Palmen wieder sehn:

    Nicht ihn bloß untern Palmen.
    DAJA. Diese
    Kälte

    Beginnt auch wohl ein neues Fieber nur.
    RECHA.
    Was Kält’? Ich bin nicht kalt. Ich sehe wahrlich

    Nicht minder gern, was ich mit Ruhe sehe.

    VIERTER
    AUFTRITT

    (Szene: ein Audienzsaal in dem Palaste des Saladin.)

    49
    Saladin
    und
    Sittah.

    SALADIN. (im
    Hereintreten, gegen die Türe)

    Hier bringt den Juden her, sobald er kömmt.

    Er scheint sich eben nicht zu übereilen.
    SITTAH.
    Er war auch wohl nicht bei der Hand; nicht gleich
    Zu
    finden.
    SALADIN. Schwester!
    Schwester!
    SITTAH.
    Tust du doch,

    Als stünde dir ein Treffen vor.
    SALADIN. Und
    das

    Mit Waffen, die ich nicht gelernt zu führen.

    Ich soll mich stellen; soll besorgen lassen;

    Soll Fallen legen; soll auf Glatteis führen.

    Wenn hätt’ ich das gekonnt? Wo hätt’ ich das

    Gelernt? - Und soll das alles, ah, wozu?

    Wozu? - Um Geld zu fischen; Geld! - Um Geld,

    Geld einem Juden abzubangen; Geld!

    Zu solchen kleinen Listen wär’ ich endlich

    Gebracht, der Kleinigkeiten kleinste mir
    Zu
    schaffen?
    SITTAH.
    Jede Kleinigkeit, zu sehr

    Verschmäht, die rächt sich, Bruder.
    SALADIN. Leider
    wahr.
    -

    Und wenn nun dieser Jude gar der gute,

    Vernünft’ge Mann ist, wie der Derwisch dir
    Ihn
    ehedem
    beschrieben?
    SITTAH. O
    nun
    dann!

    Was hat es dann für Not! Die Schlinge liegt

    Ja nur dem geizigen, besorglichen,

    Furchtsamen Juden: nicht dem guten, nicht

    Dem weisen Manne. Dieser ist ja so

    Schon unser, ohne

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