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Nathan der Weise

Nathan der Weise

Titel: Nathan der Weise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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Schlinge. Das Vergnügen,

    Zu hören, wie ein solcher Mann sich ausred’t;

    Mit welcher dreisten Stärk’ entweder er

    Die Stricke kurz zerreißet; oder auch

    Mit welcher schlauen Vorsicht er die Netze

    Vorbei sich windet: dies Vergnügen hast
    Du
    obendrein.
    SALADIN.
    Nun, das ist wahr. Gewiß;

    Ich freue mich darauf.
    SITTAH.
    So kann dich ja

    Auch weiter nichts verlegen machen. Denn

    Ist’s einer aus der Menge bloß; ist’s bloß

    Ein Jude, wie ein Jude: gegen den

    Wirst du dich doch nicht schämen, so zu scheinen,

    Wie er die Menschen all sich denkt? Vielmehr;

    Wer sich ihm besser zeigt, der zeigt sich ihm

    50

    Als Geck, als Narr.
    SALADIN.
    So muß ich ja wohl gar

    Schlecht handeln, daß von mir der Schlechte nicht
    Schlecht
    denke?
    SITTAH. Traun!
    wenn
    du
    schlecht handeln nennst,

    Ein jedes Ding nach seiner Art zu brauchen.
    SALADIN.
    Was hätt’ ein Weiberkopf erdacht, das er

    Nicht zu beschönen wüßte!
    SITTAH. Zu
    beschönen!
    SALADIN.
    Das feine, spitze Ding, besorg ich nur,

    In meiner plumpen Hand zerbricht! - So was

    Will ausgeführt sein, wie’s erfunden ist:

    Mit aller Pfiffigkeit, Gewandtheit. - Doch,

    Mag’s doch nur, mag’s! Ich tanze, wie ich kann;

    Und könnt’ es freilich lieber - schlechter noch
    Als
    besser.
    SITTAH.
    Trau dir auch nur nicht zu wenig!

    Ich stehe dir für dich! Wenn du nur willst. -

    Daß uns die Männer deinesgleichen doch

    So gern bereden möchten, nur ihr Schwert,

    Ihr Schwert nur habe sie so weit gebracht.

    Der Löwe schämt sich freilich, wenn er mit

    Dem Fuchse jagt: - des Fuchses, nicht der List.
    SALADIN.
    Und daß die Weiber doch so gern den Mann

    Zu sich herunter hätten! - Geh nur, geh! -

    Ich glaube meine Lektion zu können.
    SITTAH.
    Was? ich soll gehn?
    SALADIN.
    Du wolltest doch nicht bleiben?
    SITTAH.
    Wenn auch nicht bleiben … im Gesicht euch bleiben -

    Doch hier im Nebenzimmer -
    SALADIN. Da
    zu
    horchen?

    Auch das nicht, Schwester; wenn ich soll bestehn. -

    Fort, fort! der Vorhang rauscht; er kömmt! - doch daß Du ja nicht da verweilst! Ich sehe nach.

    (Indem sie sich durch eine Türe entfernt, tritt Nathan zu der andern herein; und Saladin hat sich gesetzt.)

    FÜNFTER
    AUFTRITT

    Saladin
    und
    Nathan.

    SALADIN.
    Tritt näher, Jude! - Näher! - Nur ganz her! -
    Nur
    ohne
    Furcht!
    NATHAN.
    Die bleibe deinem Feinde!
    SALADIN.
    Du nennst dich Nathan?
    NATHAN. Ja.
    SALADIN.
    Den weisen Nathan?

    51
    NATHAN. Nein.
    SALADIN.
    Wohl! nennst du dich nicht; nennt dich das Volk.
    NATHAN.
    Kann sein; das Volk!
    SALADIN.
    Du glaubst doch nicht, daß ich

    Verächtlich von des Volkes Stimme denke? -

    Ich habe längst gewünscht, den Mann zu kennen,

    Den es den Weisen nennt.
    NATHAN.
    Und wenn es ihn

    Zum Spott so nennte? Wenn dem Volke weise

    Nichts weiter wär’ als klug? und klug nur der,

    Der sich auf seinen Vorteil gut versteht?
    SALADIN.
    Auf seinen wahren Vorteil, meinst du doch?
    NATHAN.
    Dann freilich wär’ der Eigennützigste

    Der Klügste. Dann wär’ freilich klug und weise
    Nur
    eins.
    SALADIN.
    Ich höre dich erweisen, was

    Du widersprechen willst. - Des Menschen wahre

    Vorteile, die das Volk nicht kennt, kennst du.

    Hast du zu kennen wenigstens gesucht;

    Hast drüber nachgedacht: das auch allein

    Macht schon den Weisen.
    NATHAN.
    Der sich jeder dünkt
    Zu
    sein.
    SALADIN.
    Nun der Bescheidenheit genug!

    Denn sie nur immerdar zu hören, wo

    Man trockene Vernunft erwartet, ekelt.

    (Er springt auf.)

    Laß uns zur Sache kommen! Aber, aber

    Aufrichtig, Jud’, aufrichtig!
    NATHAN. Sultan,
    ich

    Will sicherlich dich so bedienen, daß

    Ich deiner fernern Kundschaft würdig bleibe.
    SALADIN. Bedienen?
    wie?
    NATHAN.
    Du sollst das Beste haben

    Von allem; sollst es um den billigsten
    Preis
    haben.
    SALADIN.
    Wovon sprichst du? doch wohl nicht

    Von deinen Waren? - Schachern wird mit dir

    Schon meine Schwester. (Das der Horcherin!) -

    Ich habe mit dem Kaufmann nichts zu tun.
    NATHAN.
    So wirst du ohne Zweifel wissen wollen,

    Was ich auf meinem Wege von dem Feinde,

    Der allerdings sich wieder reget, etwa
    Bemerkt,
    getroffen?
    - Wenn ich unverhohlen …
    SALADIN.
    Auch darauf bin ich eben nicht mit dir

    Gesteuert. Davon weiß ich schon, so viel

    Ich nötig habe. - Kurz; -
    NATHAN. Gebiete,
    Sultan.

    52
    SALADIN.
    Ich heische deinen Unterricht in ganz

    Was anderm; ganz was anderm. - Da du nun

    So weise bist: so sage mir doch einmal -

    Was für ein Glaube, was für ein Gesetz

    Hat dir

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