Nathan der Weise
Saladins Hand fahren lässt)
.
Augenblicks! Und bei dem andern
Bleibt es doch auch?
(Ab.)
SALADIN . Ah! dass ich meine Schwester
Nicht horchen lassen! – Zu ihr! zu ihr! – Denn
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Wie soll ich alles das ihr nun erzählen?
(Ab von der andern Seite.)
Achter Auftritt
Die Szene: unter den Palmen, in der Nähe des Klosters, wo der Tempelherr Nathans wartet.
DER TEMPELHERR
(geht, mit sich selbst kämpfend, auf und ab; bis er losbricht)
.
– Hier hält das Opfertier ermüdet still. –
Nun gut! Ich mag nicht, mag nicht näher wissen,
Was in mir vorgeht; mag voraus nicht wittern,
Was vorgehn wird. – Genug, ich bin umsonst
Geflohn! umsonst. – Und weiter
konnt
ich doch
Auch nichts, als fliehn? – Nun komm’, was kommen soll! –
Ihm auszubeugen , war der Streich zu schnell
Gefallen; unter den zu kommen, ich
So lang und viel mich weigerte. – Sie sehn,
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Die ich zu sehn so wenig lüstern war, –
Sie sehn, und der Entschluss, sie wieder aus
Den Augen nie zu lassen – Was Entschluss?
Entschluss ist Vorsatz, Tat: und ich, ich litt’,
Ich litte bloß. – Sie sehn, und das Gefühl,
An sie verstrickt, in sie verwebt zu sein,
War eins. – Bleibt eins. – Von ihr getrennt
Zu leben, ist mir ganz undenkbar; war
Mein Tod, – und wo wir immer nach dem Tode
Noch sind, auch da mein Tod. – Ist das nun Liebe:
2130
So – liebt der Tempelritter freilich, – liebt
Der Christ das Judenmädchen freilich. – Hm!
Was tut’s? – Ich hab in dem gelobten Lande, –
Und drum auch mir
gelobt
auf immerdar! –
Der Vorurteile mehr schon abgelegt. –
Was will mein Orden auch? Ich Tempelherr
Bin tot; war von dem Augenblick ihm tot,
Der mich zu Saladins Gefangnen machte.
Der Kopf, den Saladin mir schenkte, wär
Mein alter? – Ist ein neuer; der von allem
2140
Nichts weiß, was jenem eingeplaudert ward,
Was jenen band. – Und ist ein bessrer; für
Den väterlichen Himmel mehr gemacht.
Das spür ich ja. Denn erst mit ihm beginn
Ich so zu denken, wie mein Vater hier
Gedacht muss haben; wenn man Märchen nicht
Von ihm mir vorgelogen. – Märchen? – doch
Ganz glaubliche; die glaublicher mir nie,
Als itzt geschienen, da ich nur Gefahr
Zu straucheln laufe, wo er fiel. – Er fiel?
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Ich will mit Männern lieber fallen, als
Mit Kindern stehn. – Sein Beispiel bürget mir
Für seinen Beifall. Und an wessen Beifall
Liegt mir denn sonst? – An Nathans? – O an dessen
Ermuntrung mehr, als Beifall, kann es mir
Noch weniger gebrechen. – Welch ein Jude! –
Und der so ganz nur Jude scheinen will!
Da kömmt er; kömmt mit Hast; glüht heitre Freude.
Wer kam vom Saladin je anders? – He!
He, Nathan!
Neunter Auftritt
NATHAN
und der
TEMPELHERR .
NATHAN . Wie? seid Ihr’s?
TEMPELHERR . Ihr habt
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Sehr lang Euch bei dem Sultan aufgehalten.
NATHAN . So lange nun wohl nicht. Ich ward im Hingehn
Zu viel verweilt. – Ah, wahrlich Curd; der Mann
Steht seinen Ruhm. Sein Ruhm ist bloß sein Schatten. –
Doch lasst vor allen Dingen Euch geschwind
Nur sagen …
TEMPELHERR . Was?
NATHAN . Er will Euch sprechen; will,
Dass ungesäumt Ihr zu ihm kommt. Begleitet
Mich nur nach Hause, wo ich noch für ihn
Erst etwas anders zu verfügen habe:
Und dann, so gehn wir.
TEMPELHERR . Nathan, Euer Haus
Betret ich wieder eher nicht …
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NATHAN . So seid
Ihr doch indes schon da gewesen? habt
Indes sie doch gesprochen? – Nun? – Sagt: wie
Gefällt Euch Recha?
TEMPELHERR . Über allen Ausdruck! –
Allein, – sie wiedersehn – das werd ich nie!
Nie! nie! – Ihr müsstet mir zur Stelle denn
Versprechen: – dass ich sie auf immer, immer –
Soll können sehn.
NATHAN . Wie wollt Ihr, dass ich das
Versteh?
TEMPELHERR
(nach einer kurzen Pause ihm plötzlich um den Hals fallend)
.
Mein Vater!
NATHAN . – Junger Mann!
TEMPELHERR
(ihn ebenso plötzlich wieder lassend)
.
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