Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nathan der Weise

Nathan der Weise

Titel: Nathan der Weise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Textausgabe + Lektüreschlüssel
Vom Netzwerk:
seine Macht nicht über uns. – Es sind
    Nicht alle frei, die ihrer Ketten spotten.
    SALADIN .
    Sehr reif bemerkt! Doch Nathan wahrlich, Nathan …
    TEMPELHERR .
    2760
    Der Aberglauben schlimmster ist, den seinen
    Für den erträglichem zu halten …
    SALADIN .                                                 Mag
    Wohl sein! Doch Nathan …
    TEMPELHERR .                                 Dem allein
    Die blöde Menschheit zu vertrauen, bis
    Sie heilern Wahrheitstag gewöhne; dem
    Allein …
    SALADIN .    Gut! Aber Nathan! – Nathans Los
    Ist diese Schwachheit nicht.
    TEMPELHERR .                             So dacht ich auch! …
    Wenn gleichwohl dieser Ausbund aller Menschen
    So ein gemeiner Jude wäre, dass
    Er Christenkinder zu bekommen suche,
    2770
    Um sie als Juden aufzuziehn: – wie dann?
    SALADIN . Wer sagt ihm so was nach?
    TEMPELHERR .                                        Das Mädchen selbst,
    Mit welcher er mich körnt , mit deren Hoffnung
    Er gern mir zu bezahlen schiene, was
    Ich nicht umsonst für sie getan soll haben: –
    Dies Mädchen selbst, ist seine Tochter – nicht;
    Ist ein verzettelt Christenkind.
    SALADIN .                                       Das er
    Dem ungeachtet dir nicht geben wollte?
    TEMPELHERR
(heftig)
.
    Woll’ oder wolle nicht! Er ist entdeckt.
    Der tolerante Schwätzer ist entdeckt!
    2780
    Ich werde hinter diesen jüd’schen Wolf
    Im philosoph’schen Schafpelz, Hunde schon
    Zu bringen wissen, die ihn zausen sollen!
    SALADIN
(ernst)
. Sei ruhig, Christ!
    TEMPELHERR .                             Was? ruhig Christ? – Wenn Jud’
    Und Muselmann, auf Jud’, auf Muselmann
    Bestehen: soll allein der Christ den Christen
    Nicht machen dürfen?
    SALADIN
(noch ernster)
. Ruhig, Christ!
    TEMPELHERR
(gelassen)
.                           Ich fühle
    Des Vorwurfs ganze Last, – die Saladin
    In diese Silbe presst! Ah, wenn ich wüsste,
    Wie Assad, – Assad sich an meiner Stelle
    Hierbei genommen hätte!
    2790
    SALADIN .                                Nicht viel besser! –
    Vermutlich, ganz so brausend! – Doch, wer hat
    Denn dich auch schon gelehrt, mich so wie er
    Mit Einem Worte zu bestechen? Freilich
    Wenn alles sich verhält, wie du mir sagest:
    Kann ich mich selber kaum in Nathan finden. –
    Indes, er ist mein Freund, und meiner Freunde
    Muss keiner mit dem andern hadern. – Lass
    Dich weisen! Geh behutsam! Gib ihn nicht
    Sofort den Schwärmern deines Pöbels preis!
    2800
    Verschweig, was deine Geistlichkeit, an ihm
    Zu rächen, mir so nahe legen würde!
    Sei keinem Juden, keinem Muselmanne
    Zum Trotz ein Christ!
    TEMPELHERR .                    Bald wär’s damit zu spät!
    Doch dank der Blutbegier des Patriarchen,
    Des Werkzeug mir zu werden graute!
    SALADIN .                                                       Wie?
    Du kamst zum Patriarchen eher, als
    Zu mir?
    TEMPELHERR . Im Sturm der Leidenschaft, im Wirbel
    Der Unentschlossenheit! – Verzeih! – Du wirst
    Von deinem Assad, fürcht ich, ferner nun
    Nichts mehr in mir erkennen wollen.
    2810
    SALADIN .                                                    Wär
    Es diese Furcht nicht selbst! Mich dünkt, ich weiß,
    Aus welchen Fehlern unsre Tugend keimt.
    Pfleg diese ferner nur, und jene sollen
    Bei mir dir wenig schaden. – Aber geh!
    Such du nun Nathan, wie er dich gesucht;
    Und bring ihn her. Ich muss euch doch zusammen
    Verständigen. – Wär um das Mädchen dir
    Im Ernst zu tun: sei ruhig. Sie ist dein!
    Auch soll es Nathan schon empfinden, dass
    2820
    Er ohne Schweinefleisch ein Christenkind
    Erziehen dürfen! – Geh!
    (Der Tempelherr geht ab, und Sittah verlässt den Sofa.)
Fünfter Auftritt
    SALADIN
und
SITTAH .
    SITTAH .                            Ganz sonderbar!
    SALADIN . Gelt, Sittah? Muss mein Assad nicht ein braver,
    Ein schöner junger Mann gewesen sein?
    SITTAH . Wenn er so war, und nicht zu diesem Bilde
    Der Tempelherr vielmehr gesessen! – Aber
    Wie hast du doch vergessen können dich
    Nach seinen Eltern zu erkundigen?
    SALADIN . Und insbesondre wohl nach seiner Mutter?
    Ob seine Mutter

Weitere Kostenlose Bücher