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Nathan der Weise

Nathan der Weise

Titel: Nathan der Weise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Textausgabe + Lektüreschlüssel
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nicht vor achtzehn Jahren
    Ein Töchterchen gebracht von wenig Wochen?
    NATHAN . Wie das? – Nun freilich – allerdings –
    KLOSTERBRUDER .                                                          Ei, Seht
    Mich doch recht an! – Der Reitknecht, der bin ich.
    NATHAN .
    Seid Ihr?
    KLOSTERBRUDER .
                   Der Herr, von welchem ich’s Euch brachte,
    War – ist mir recht – ein Herr von Filnek. – Wolf
    Von Filnek!
    NATHAN .           Richtig!
    KLOSTERBRUDER .       Weil die Mutter kurz
    Vorher gestorben war; und sich der Vater
    Nach – mein ich – Gazza plötzlich werfen musste,
    2980
    Wohin das Würmchen ihm nicht folgen konnte:
    So sandt’ er’s Euch. Und traf ich Euch damit
    Nicht in Daran?
    NATHAN .                  Ganz recht!
    KLOSTERBRUDER .                         Es wär kein Wunder,
    Wenn mein Gedächtnis mich betrog’. Ich habe
    Der braven Herrn so viel gehabt; und diesem
    Hab ich nur gar zu kurze Zeit gedient.
    Er blieb bald drauf bei Askalon; und war
    Wohl sonst ein lieber Herr.
    NATHAN .                                       Jawohl! jawohl!
    Dem ich so viel, so viel zu danken habe!
    Der mehr als einmal mich dem Schwert entrissen!
    KLOSTERBRUDER .
    2990
    O schön! So werd’t Ihr seines Töchterchens
    Euch umso lieber angenommen haben.
    NATHAN . Das könnt Ihr denken.
    KLOSTERBRUDER .                             Nun, wo ist es denn?
    Es ist doch wohl nicht etwa gar gestorben? –
    Lasst’s lieber nicht gestorben sein! – Wenn sonst
    Nur niemand um die Sache weiß: so hat
    Es gute Wege.
    NATHAN .               Hat es?
    KLOSTERBRUDER .              Traut mir, Nathan!
    Denn seht, ich denke so! Wenn an das Gute,
    Das ich zu tun vermeine, gar zu nah
    Was gar zu Schlimmes grenzt: so tu ich lieber
    3000
    Das Gute nicht; weil wir das Schlimme zwar
    So ziemlich zuverlässig kennen, aber
    Bei weiten nicht das Gute. – War ja wohl
    Natürlich; wenn das Christentöchterchen
    Recht gut von Euch erzogen werden sollte:
    Dass Ihr’s als Euer eigen Töchterchen
    Erzögt. – Das hättet Ihr mit aller Lieb’
    Und Treue nun getan, und müsstet so
    Belohnet werden? Das will mir nicht ein.
    Ei freilich, klüger hättet Ihr getan;
    3010
    Wenn Ihr die Christin durch die zweite Hand
    Als Christin auferziehen lassen: aber
    So hättet Ihr das Kindchen Eures Freunds
    Auch nicht geliebt. Und Kinder brauchen Liebe,
    Wär’s eines wilden Tieres Lieb’ auch nur,
    In solchen Jahren mehr, als Christentum.
    Zum Christentume hat’s noch immer Zeit.
    Wenn nur das Mädchen sonst gesund und fromm
    Vor Euern Augen aufgewachsen ist,
    So blieb’s vor Gottes Augen, was es war.
    3020
    Und ist denn nicht das ganze Christentum
    Aufs Judentum gebaut? Es hat mich oft
    Geärgert, hat mir Tränen g’nug gekostet,
    Wenn Christen gar so sehr vergessen konnten,
    Dass unser Herr ja selbst ein Jude war.
    NATHAN . Ihr, guter Bruder, müsst mein Fürsprach sein,
    Wenn Hass und Gleisnerei sich gegen mich
    Erheben sollten, – wegen einer Tat –
    Ah, wegen einer Tat! – Nur Ihr, Ihr sollt
    Sie wissen! – Nehmt sie aber mit ins Grab!
    3030
    Noch hat mich nie die Eitelkeit versucht,
    Sie jemand andern zu erzählen. Euch
    Allein erzähl ich sie. Der frommen Einfalt
    Allein erzähl ich sie. Weil die allein
    Versteht, was sich der gottergebne Mensch
    Für Taten abgewinnen kann.
    KLOSTERBRUDER .                             Ihr Seid
    Gerührt, und Euer Auge steht voll Wasser?
    NATHAN . Ihr traft mich mit dem Kinde zu Daran.
    Ihr wisst wohl aber nicht, dass wenig Tage
    Zuvor, in Gath die Christen alle Juden
    3040
    Mit Weib und Kind ermordet hatten; wisst
    Wohl nicht, dass unter diesen meine Frau
    Mit sieben hoffnungsvollen Söhnen sich
    Befunden, die in meines Bruders Hause,
    Zu dem ich sie geflüchtet, insgesamt
    Verbrennen müssen.
    KLOSTERBRUDER .              Allgerechter!
    NATHAN .                                                    Als
    Ihr kamt, hatt ich drei Tag’ und Nächt’ in Asch’
    Und Staub vor Gott gelegen, und geweint. –
    Geweint? Beiher mit Gott auch wohl gerechtet,
    Gezürnt, getobt, mich und die Welt verwünscht;
    3050
    Der Christenheit den unversöhnlichsten
    Hass zugeschworen –
    KLOSTERBRUDER .

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